Folia Theologica 10. (1999)
Ciril Sorč: Die trinitarische Dimension des menschlichen Lebens
50 C. SORC Verschwinden des Menschen, in ersten aber um die vollkommene Verwirklichung.45 Im zweiten Fall verschwindet das Wesen in eine höhere, allumfassende Gottheit, es verschmelzt sich mit ihr soweit, daß es den eigenen Ich verliert, in ersten kommt es zur Fülle des eigenen Ichs; in der Vereinigung mit Gott verwirklicht sich der Mensch, in Gott findet er sich selbst, denn, wenn er zum Gott kommt, kommt er zu sich. Der Höhepunkt der Vereinigung ist die Vergöttlichung, wie das die östliche Theologie nennt.46 Erst hier aber verwirklicht sich auch die eigentliche Vermenschlichung. Es geht nicht um Vereinigung auf Distanz, sondern um diejenige, auf Grund deren der Mensch in Gott „hineintritt” und Gott im Menschen „einwohnt”. Diese tiefe, „verlobende” Vereinigung erleben die Mystiker und wirklich Gläubige auf besondere Weise. Wie wir bei Maria von Inkarnation sehen können, ist das eine Vereinigung mit solchem Gott, wie er in Wirklichkeit ist: mit dem Vater, mit dem Sohn und mit dem Heiligen Geist.47 Wenn sich der Mensch dem dreienigen Gott nähert, nähert er sich dem geheimnisvollen Lebensreichtum, das aus Gott selbst quellt und das am besten mit der Perichorese ausgedrückt werden kann. Der Christ wird (schon aufgrund der Taufe) der Sohn des Vaters, der Bruder des Sohnes (die Kirchenlehrer nennen die Täuflinge „chris- toi”, d. h. Christusse) und das Tempel des Hl. Geistes (auch: pneuma- tikoi). In der Heiligen Dreifaltigkeit können sich die Menschen miteinander begegnen. Die Christen leben ihre Beziehung zum Gott in der Gemeinschaft mit den anderen, oder sind sie keine Christen. Die Perichorese in der Kirche oder die perichoretische Ecclesiologie Die perichoretische Struktur der Kirche hat ihr Fundament in der Tatsache, daß die Kirche eine Schöpfung der Heiligen Dreifaltigkeit ist: 45 Vgl. B.J. HILBERATH, Heiliger Geist - heilender Geist, Matthias- Grünewald-Verlag, Mainz 1988, 44ff. 46 Gregor v. Nazianz nennt den Menschen „zoon theoümenon”. Vgl. P. NEL- LAS, Voi siete dei. Antropologia dei Padri della Chiesa, Città nuova, Roma 1993, 44f. 47 Vgl. P. GERVAIS, La mystique trinitaire de Marie de l'Incarnation, in Nouvelle revue Théologique 111 (1989) 481-499 und 728-744. Vgl. auch die mystische Vereinigung mit dem dreieinigen Gott von Elisabeth von der heiligen Dreifaltigkeit: H.U.v. BALTHASAR, Schwestern im Geist. Therese von Lisieux und Elisabeth von Dijon, Johannes, Einsiedeln 31978, 353-472. Im Katechismus der katholischen Kirche fünden vir ihres Gebet (KKK 260).