Folia Theologica 9. (1998)
Helmuth Pree: Grundfragen des Rechts und der Verwaltung - kirchlichen Vermögens
GRUNDFRAGEN DES RECHTS 53 schichtigen Streulage, oft sogar Unübersichtlichkeit vermögensrechtlicher Vorschriften zu zahlen ist. (3) Dabei kann das rechtliche (und politische) Verhältnis des Staates zur Kirche von völlig unterschiedlicher Ausprägung sein; es kann von der Nichtanerkennung der Vermögensfähigkeit der Kirche oder ggf. sogar dem Verbot kirchlicher Institutionen und Tätigkeiten bis zur vollen staatlichen Anerkennung der Rechtsfähigkeit und freien Tätigkeit kirchlicher Rechtsträger in staatlichen Rechtsformen reichen. Für die Kirche sind dabei folgende Leitgedanken normativ: Die Kirche erwartet vom Staat die Respektierung individueller und korporativer Religionsfreiheit und der religiösen Neutralität sowie den Schutz der Eigenrechtsmacht der Kirche und ihrer Unabhängigkeit von jeder anderen Autorität; sie wünscht und fördert die Kooperation von Staat und Kirche, da beide der persönlichen und gesellschaftlichen Berufung desselben Menschen dienen (Vat II GS 76/3). Die Kirche darf von staatlicher Hilfe nicht in einer solchen Weise Gebrauch machen, daß die Lauterkeit ihres Zeugnisses beeinträchtigt wird: “Doch setzt sie [die Kirche] ihre Hoffnung nicht auf Privilegien, die ihr von der staatlichen Autorität angeboten werden. Sie wird sogar auf die Ausübung von legitim erworbenen Rechten verzichten, wenn feststeht, daß durch deren Inanspruchnahme die Lauterkeit ihres Zeugnisses in Frage gestellt ist, oder wenn veränderte Lebensverhältnisse eine andere Regelung fordern” (Vat II GS 76). Die Kirche ist kraft ihrer Sendung und Natur an kein besonderes politisches, wirtschaftliches oder gesellschaftliches System gebunden und daher für die Zusammenarbeit mit vielen Systemen offen (vgl. Vat II GS 42); gegenüber jeder anderen weltlichen Gewalt ist die Kirche frei, zeitliche Güter zu erwerben und zu besitzen, was auch Teil der Religionsfreiheit ist (Vat II DH 4), Schulen jedweder Art und Stufe frei zu gründen (Vat II GE 8) sowie soziale Kommunikationsmittel zu besitzen und einzusetzen (Vat II IM 3). Mit diesen Grundsätzen ist es vereinbar, wenn das Vermögensrecht des CIC/1983 nicht nur stark dem Subsidiaritätsprinzip verpflichtet ist (vgl. die breite Berücksichtigung des Partikular- und Statutarrechts, des Ordensrechts, der Kanonisation des zivilen Vertragsrechts), sondern in zahlreichen Bestimmungen auch bewußt eine Kongruenz mit dem jeweiligen Zivilrecht intendiert (vgl. cc. 668 § 4; 1259; 1274 § 5; 1284 § 2; 1286,1°; 1288; 1290; 1296; 1293 § 2; 1299 § 2 u.a.).8 8 Vgl. Winfried SCHULZ, § 95 Grundfragen kirchlichen Vermögensrechts'. Joseph LISTL - Hubert MÜLLER - Heribert SCHMITZ (Hrsg.), Handbuch