Folia Theologica 9. (1998)

Viktor Papež OFM: Die nationalen Minderheiten in den kirchlichen Dokumenten

DIE NATIONALEN MINDERHEITEN 45 Schaft, geschützt werden muß. Der Papst betont, daß dieses Recht seine Wirkung auch in dem Fall entfaltet, daß eine Gruppe oder ein einzelner aus der Reihe der Minderheit gegen das gemeinsame Wohl wirkt.49 Die Pflicht des Staates ist es, alle neuen Formen der Diskriminierung zu verhindern und einen Dialog sowie Verhandlungen zu ermöglichen, wenn eine Minderheit Unabhängigkeit oder politische Autonomie an­strebt. Die Zurückweisung des Dialogs würde der Gewalt Tür und Tor öffnen.50 b) Die Pflichten der nationalen Minderheiten Mit den Rechten der nationalen Minderheiten sind auch Pflichten ver­bunden, welche die nationalen Minderheiten gegenüber dem Mehrheits­volke, unter dem sie leben, zu erfüllen haben. Die erste Pflicht besteht im Schaffen auch der Minderheiten für das allgemeine Wohl, im Beitrag “ihres spezifischen Teils” zum friedlichen Zusammenleben und in der Anerkennung des Andersseins der großen Bevölkerung.51 Die Minderheit hat ferner die Pflicht, die Freiheit und Würde ihrer Angehörigen zu fördern, auch in dem Falle, daß der einzelne sich entschließt, der Kultur des Mehrheitsvolkes anzugehören.52 Zur Pflicht der Minderheit gehört auch eine kritische und bewußte Einschätzung der Begründung ihrer Ansprüche im Lichte der histori­schen und gegenwärtigen Realität. Das ist notwendig, damit die Minder­heit kein Sklave ihrer Vergangenheit wird und sich nicht vor der Zukunft verschließt.53 Pflicht der Minderheit ist es schließlich, das Mehrheitsvolk zu respek­tieren und seine Würde zu achten.54 Im Schlußteil des Dokumentes ruft der Papst zur Wiedereinsetzung einer gerechteren und friedlicheren Gesellschaft auf, für die alle Ver­antwortung tragen. Das aber verlangt ein unaufhörliches Streben nach Abschaffung jeglicher Art von Diskriminierung und von Barrieren, die 49 Ibid., n. 4. 50 Ibid., n. 10. 51 Ibid., n. 11. 52 Die Worte des Papstes sind an dieser Stelle nicht sehr eindeutig. Es ist nicht so leicht, die eigene Kultur zu wechseln; es bestehen ethische Pflichten der eigenen Kultur gegenüber: “La minoranza negata”, in II Regno 29 (1984) 500. 53 Johannes Paul II., “Friedensbotschaft zum Neujahrstag 1989”, n. 11. 54 Ibid., n. 3.

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