Folia Theologica 9. (1998)

Viktor Papež OFM: Die nationalen Minderheiten in den kirchlichen Dokumenten

34 V. PAP EZ In der letzten Zeit wurden nun bedeutende Dokumente veröffentlicht, die rechtlich die kollektiven Rechte der nationalen, religiösen und sprachlichen Minderheiten anerkennen und die Minderheiten vor einer Zwangsassimilierung beziehungsweise vor einer rechtlichen Verneinung ihrer Existenz schützen. Ungelöste Probleme nationaler Minderheiten verursachen nämlich große soziale und politische Unruhen und Spannun­gen in den betreffenden Staaten. Sie bedeuten aber auch auf der Ebene der internationalen Beziehungen eine Gefahr für den Frieden. Die Achtung der Menschenrechte und der Rechte der nationalen Minder­heiten ist deshalb nach der Lehre der katholischen Kirche untrennbar mit der Frage des Friedens in der Welt verbunden.2 In der Gegenwart wird in Konfliktsituationen die Beziehung zu den nationalen Minderheiten von entscheidender Bedeutung sein, sowohl in Europa wie auch anderswo.3 Die Kirche sucht das Prinzip des “gerechten Krieges” zu überwinden und regt stattdessen die Individuen, Institutionen und Nationen zur all­seitigen Zusammenarbeit und zum Zusammenleben sowie zur Achtung der Menschenrechte und nicht zuletzt der Rechte der einzelnen Nationen und nationalen Minderheiten an. Die nationalen Minderheiten mit ihren kulturellen, sprachlichen, historischen und religiösen Eigenheiten bedeu­ten auch für die Mehrheit der Bevölkerung eine unschätzbare Bereiche­rung und stellen eine Brücke für die Zusammengehörigkeit und Einheit in der Verschiedenheit dar. Bevor die rechtlichen Fortschritte greifen können, ist es aber notwendig, daß die Menschen sowohl ihre Meinungen als auch ihre Haltungen gegenüber den “Andersartigen” ändern. Die bezüglich ihrer Sprache, Kultur, Religion und Rasse “Andersartigen” ha­ben ein Anrecht auf Achtung, Brüderlichkeit, Gerechtigkeit und Freund­schaft.4 Papst Johannes Paul II. sucht auf seinen zahlreichen pastoralen Weltreisen gewöhnlich immer auch mit den dortigen nationalen Minder­heiten in Kontakt zu kommen und schenkt ihnen viel Aufmerksamkeit. Ein aus kirchlicher Sicht gewaltiger Schritt nach vorn für die nationalen Minderheiten bedeutet zweifellos das Neujahrsschreiben des Papstes im 2 Johannes Paul II., “Ansprache”, 29. 5. 1989, in L’Osservatore Romano, 29- 30. 5. 1989, 6. 3 F. CORECCO (Leiter der Delegierten des Hl. Stuhles), “Der Schutz der na­tionalen Minderheiten, eine notwendige Voraussetzung für Frieden und Sta­bilität in Europa”, (Ansprache beim Treffen der Justizminister der Staaten des Europarates, Lugano 21.22.6.1993), in L’Osservatore Romano - Wo­chenausgabe in deutscher Sprache, 6.8.1993, 9. 4 “Erklärung des Hl. Stuhles zum Internationalen Tag der Migranten”, 19. 11. 1989, in L’Osservatore Romano, 9. 11. 1989, 4.

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