Folia Theologica 9. (1998)

Karl-Josef Rauber: Mit der Kirche in die Zukunft unter der Führung des heiligen Geistes

MIT DER KIRCHE IN DIE ZUKUNFT 15 “Tertio Milennio Adveniente” die Möglichkeit von Vorschlägen zu einer dem ökumenischen Anliegen entsprechenderen Form der Ausübung des Petrusamtes ausdrücklich angeregt hat. Wie vor allem bei den Kirchen der Reformation ein Verständnis für die sinnvolle Möglichkeit eines theologisch und praktisch erneuerten Petrusamtes wächst, so müßte in Zukunft von katholischer Seite her noch entschiedener und verbindlicher klargestellt werden, daß für eine angestrebte ökumenische Einheit der Kirche durchaus verschiedene Weisen der Anerkennung, wie dies übri­gens Kardinal Ratzinger für die orthodoxe Kirche eingeräumt hat, und der Communio-Gemeinschaft mit ihm theologisch möglich sind. Denn das Amt des Patriarchen der abendländischen Kirche ist in seiner konkret rechtlichen Ausgestaltung keitjeswegs identisch mit dem Petrusamt der universalkirchlichen Einheit, auch wenn beide Ämter in der Person des Bischofs von Rom vereint sind. Da vom Papst das universale oberste Lehramt ausgeübt wird, ergibt sich von selbst die Frage nach Glauben, Autorität und Gehorsam. Damit schneiden wir den 4. und letzten Punkt unserer Überlegungen an: Der wankende Glaube. Legt man den Maßstab der offiziellen Lehre der Kirche an, wie sie bisher formuliert worden ist, dann muß man heute von einer vor allem in den westlichen Ländern tief wurzelnden Glaubenskrise sprechen, von einer, wie manche Theologen es ausdrücken, “Verduns­tung” des Glaubens, die sowohl den fides quae creditur wie den fides qua creditur betrifft. Man stellt einerseits eine Diskrepanz zwischen dem kirchlichen Magisterium und der von den Theologen auf den akademi­schen Lehrstühlen vorgetragenen Lehre fest, und andererseits ein beim Kirchenvolk immer mehr umsichgreifendes Unverständnis für Stand­punkte, die die Kirche vor allem in moralisch-ethischen Fragen ein­nehmen muß, will sie ihrem von Christus gegebenen Auftrag treu bleiben. Die einzelnen Ursachen der heutigen Situation aufzuzählen, würde uns hier zu weit führen. Sicherlich hängt die Glaubenskrise mit der Auto­ritätskrise zusammen, mit den Umschichtungen und Freiräumen in der heutigen Gesellschaft, mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen, mit dem Sichloslösen von Tradition und Brauchtum, mit der Verwässerung der katechetischen Unterweisung, mit dem Standortverlust der Kirche im öffentlichen Leben und mit dem allgemeinen Unwissen in religiösen und kirchlichen Fragen, das zum Teil auf mangelndes Interesse zurückzu­führen ist und zum Teil auf die abnehmende Beteiligung am kirchlichen Leben. Von mancher Seite wird leider auch das Zweite Vatikanische Kon-

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