Folia Theologica 7. (1996)

Stanislav Zvolenský: Der "dolus" nach dem kanonischen Eherecht

86 S. ZVOLENSKŸ „konform - difform” mit dem positiven Recht. Wie der Ulpiantext zeigt, wurde ein dolus maxime si adversus hostem latronemve quis machinetur als ein dolus bonus angesehen. Zum hostis publicus wurde der römische Bürger, wenn er bestimmte Delikte begangen hatte; er verlor damit den Rechtsschutz. Unter latro verstand man den Piraten und Straßenräuber, die sich durch ihre Untaten ebenso wie der hostis publicus außerhalb des Gesetzes gestellt haben. Die legitime Verteidigung stellt die Anwendung des Prinzips der Vergeltung dar, Gewalt durfte mit Gewalt13, Schaden mit Schaden, dolus mit dolus vergolten werden.14 Circumventiones bis zu einer gewissen Obergrenze (dimidia pars) stellten nicht das Faktum einer Gesetzesverletzung dar und galten daher auch als dolus „bonus”.15 1.1.2. Dolus causam dans - dolus incidens ( Was der dolus betrifft, ist auch die Beantwortung der Frage sehr wichtig, auf welche Art und Weise der dolus auf den Abschluß des Rechtsgeschäftes Einfluß nimmt. Unweigerlich stoßen wir dabei auch auf die Natur des dolus, konkret auf den dolus causam dans und incidens. Der Terminologie nach geht die Unterscheidung auf die Tätigkeit der Qlossatoren zurück16. Daß der Sache nach die Distinktion sehr wohl in den Quellen begründet ist, läßt sich über den äußerst mühevollen Weg des Rückschlusses aufzeigen: Stellt man nämlich die ausnehmend zahl­reichen Quellentexte, in denen von einem zum Vertragsabschluß bestim­menden dolus und seinen Wirkungen die Rede ist, denen gegenüber, die von einem gelegentlichen Betrug anläßlich eines Kontraktes sprechen, so stellt man fest, daß es sich um zwei sehr verschiedene Rechtsfiguren han­delt, deren grunsätzliche Unterscheidung keine Willkür bedeutet17. 13 D. 92,45,4. 14 D. 1,1,3. 15 D. 4,4,16,4: „...In pretio emptionis et venditionis naturaliter licere contrahentibus se circumvenire.” 16 Vgl. STEIDL H„ Die Theorie..., 77-78. 17 Diesen mühevollen Weg des Textvergleiches unternahm Freundlich L. und konnte die Begründetheit und auch Notwendigkeit der Unterscheidung von dolus causam dans und dolus incidens der Sache nach als in den Quellen begründet beweisen. Vgl. FREUNDLICH L., Die gemeinrechtliche Lehre vom dolus causam dans und incidens, Greifswald 1903. Dieselbe Meinung findet man auch in: WEZEL P., Dolus causam dans und dolus incidens, Tübingen 1928, 9.

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