Folia Theologica 6. (1995)
Gábor Adriányi: Warum und wie verließ Kardinalprimas József Mindszenty 1971 die amerikanische Botschaft zu Budapest?
78 G. ADRIÁNYI ungarische Regierung bereits Schritte im Vatikan unternahm und seine Anwesenheit in der Botschat den Amerikanern lästig wurde19. Er schrieb voller Verbitterung: „Die billigste Ware auf dem Weltmarkt der Koexistenz ist der Primas von Ungarn”20. Am 20. April 1963 weilte Kardinal König in der Angelegenheit des Primas in Budapest, bei ihm hielt er sich aber nur ein paar Minuten auf21. Am 8. Mai erschien aber bei ihm der spezielle Abgesandte des Papstes, Msgr. Agostino Casaroli. Er überbrachte einen warmherzigen, aber nichtssagenden Brief des Papstes und den Gruß der ungarischen Bischofskonferenz. Man verhandelte von drei Uhr nachmittags bis acht Uhr abends im abhörsicheren Raum („rumbling mill”) der Botschaft. Msgr. Casaroli teilte dem Primas zwei wichtige Sachen mit: 1. Der Hl. Stuhl sei mit seinem Verhalten in der Botschaft einverstanden und betrachte ihn nach wie vor als „Confessor”; 2. der Hl. Stuhl möchte die Hierarchie in Ungarn voll wiederherstellen. Dieses Letztere mit Casarolis Worten: „Es soll auch für die Seelen Sorge getragen werden”. Dies würde freilich bedeuten, führte der Gast aus, daß eine Verhandlung mit der ungarischen Regierung notwendig sei, zumal diese bereits zwei Bischofsernennungen verhindert habe22. Im Laufe des Gespräche, leugnete Mindszenty, er hätte Kardinal König gegenüber bekundet, „die Kirche dürfe mit der Macht nicht verhandeln”. Er bat nunmehr jedoch darum, die Verhandlungen nicht auf höchsten kúriaién Ebenen, sondern seitens der untergeordneten vatikanischen Behörden durchzuführen. Die Lage der Kirche sei, gab er zu, in einigen anderen Ländern, wie z.B. in der Tschechoslowakei, noch schlimmer. Er gab Msgr. Casaroli den Rat, bei den Verhandlungen möge der Hl. Stuhl mit den Vereinten Nationen und der Weltpresse drohen und den ungarischen Bischöfen verbieten, politische Erklärungen abzugeben und staatliche Auszeichnungen anzunehmen. Er betonte: „die Katechese, die Priestererziehung sind sogar wichtiger als Bischofsernen19 N.J. 7. Febr. 1963 und 18. März 1963. S. 296, 299. 20 N.J. 3. Apr. 1963. S. 300-301. 21 N.J. 20. Apr. 1963. S. 302. 22 Msgr. Casaroli dachte offenbar daran, daß die ungarische Regierung 1971 die Ernennungen des Gellért Belon zum Bischof von Pécs, Fünfkirchen und des Weihbischofs János Bárd zum Apostolischen Administrator von Kalocsa verhinderte. Zu den Besprechungen die ausführlichen Notizen in: N.J. 8. Mai 1963. S. 303-304.