Folia Theologica 6. (1995)
Bruno Primetshofer: Die Fähigkeit zum Ehekonsens nach Kanonischem Recht
DIE FÄHIGKEIT ZUM EHEKONSENS 23 In ebendiese Richtung geht auch die Aussage der c. 1085 CIC/1917 und c. 1100 CIC/1983, wonach das Wissen oder die Meinung, die Eheschließung sei ungültig, den Ehekonsens nicht notwendig ausschließt56. Der in c. 1095, 3 angeführte Nichtigkeitsgrund ist somit weder als Konsensmangel (im üblichen Wortsinn) noch als „Konsenshindernis” zu betrachten, sondern stellt ein — den Konsens grundsätzlich nicht tangierendes — trennendes Ehehindernis dar. Die Ungültigkeit der Ehe basiert wie bei allen übrigen trennenden Ehehindernissen nicht auf der Mangelhaftigkeit des Konsenses, sondern auf der im Augenblick der Eheschließung bestehenden57 Unmöglichkeit, jene Leistung zu erbringen, zu der sich der Kontrahent verpflichtet58. Als vielleicht wichtigste Konsequenz aus der Einordnung des Erfüllungsunvermögens unter die Ehehindernisse ergibt sich (vorausgesetzt, daß zur Erfüllung des Tatbestands keine perpetuitas gefordert 56 Vgl. dazu auch c. 1093 CIC/1917 und c. 1107 CIC/1983, die von der Fortdauer des (gültig geleisteten) Konsenses sprechen, wenn die Ehe wegen eines trennenden Hindernisses oder wegen Formmangels ungültig geschlossen wurde. 57 Auf die Frage der „perpetuitas" des in c. 1095, 3 angesprochenen Tatbestands wird noch gesondert einzugehen sein (siehe III,3). 58 Vgl. dazu die Überlegungen der CIC-Kommission in bezug auf die Einreihung des Tatbestands: Communicationes 3 (1971), 77. — Eine Zusammenfassung jener Autoren, die c. 1095, 3 unter die Ehehindemisse einreihen, siehe bei LÜDICKE, Münsterischer Kommentar, Einführung vor c. 1095, Rdz 3. — Die u.a. von SEBOTT, Eherecht (Anm. 12), 77 vorgelegte Begründung für die Bewertung als Konsensmangel ist nicht ausreichend. — Als unexakt muß in diesem Zusammenhang die Ausdrucksweise WEBERS, Erfüllungs- unvermögen (Anm. 44) 199 bezeichnet werden. Bei der zusammenfassenden Erläuterung der Nichtigkeitsursache des in c. 1095, 3 angesprochenen Erfüllungsunvermögens kommt er zu folgendem Ergebnis: „...der geleistete Konsens ist deshalb ungültig, weil wesentliche Verpflichtungen nicht erfüllt werden können". — Darauf ist zu sagen, daß nicht der Konsens ungültig ist, sondern die Ehe. Dies aber nicht aufgrund eines ungültigen, sondern wegen des trennenden Ehehindernisses des c. 1095, 3 rechtlich unwirksam (iuridice inefficax) gebliebenen Konsenses. In einer Entscheidung vom 6.2.1987 coram Pinto hat die SRR den in c. 1095, 3 angeführten Tatbestand als trennendes Ehehindernis bezeichnet: „Est revera impedimentum dirimens, quin obstet, quod in cap. IV de consensu matrimoniali positum sit". DecSRR LXXIX/1987, 33 f. Vgl. J.I. BANARES, Breve sintesis sobre crite- rios de distinción entre falta de discreción de juicio e incapacidad de asumir en las sentencias recientes de la Rota Romana, in: J. A. FUENTES (Hrsg.), Incapacidad consensual para las obligaciones matrimoniales, Pamplona 1991,189.