Folia Theologica 6. (1995)

Bruno Primetshofer: Die Fähigkeit zum Ehekonsens nach Kanonischem Recht

22 B. PRIMETSHOFER Verpflichtung in bezug auf eine gültige Ehe vor. Demzufolge müßte man, genau genommen, die Nichtigkeit der Ehe nicht dem trennenden Ehehindernis an sich, sondern dem durch das trennende Ehehindernis be­dingten Konsensmangel zuschreiben54. Dies entspricht aber keinesfalls dem Konzept des CIC/1983 noch dem des CIC/1917. C. 1139 § 1 CIC/1917 sprach deutlich vom „consensus naturaliter sufficiens”, der aber wegen eines trennenden Ehehindernisses (des rein kirchlichen Rechts) juridisch unwirksam („iuridice inefficax”) geblieben sei, und dasselbe Konzept liegt c. 1163 CIC/1983 zugrunde, wobei im Zusammenhang mit der wegen eines Hindernisses nichtigen Ehe nicht differenziert wird, ob es sich um ein solches des Naturrechts oder des reinen Kirchenrechts handelt (c. 1163 § 1). Erweiternd wird (ge­genüber c. 1139 CIC/1917) gesagt, daß eine Eheheilung in der Wurzel auch bei Vorliegen eines Hindernisses des Naturrechts oder des positiv­göttlichen Rechts möglich sei, allerdings erst ab dem Zeitpunkt des Weg­falls dieses Hindernisses. Damit kommt aber in aller Deutlichkeit zum Ausdruck, daß naturrechtlich gültiger Konsens („consensus naturaliter sufficiens”) und Nichtigkeit der Ehe wegen eines trennenden Ehehinder­nisses gleich welcher Provenienz (Naturrecht, positiv-göttliches Recht, reines Kirchenrecht) nebeneinander bestehen können. Oder anders ausge­drückt: Das caput nullitatis trennendes Ehehindernis hat ebenso wie das­jenige des Formmangels55 an sich gesprochen keine Auswirkungen auf den Konsens der Ehepartner, d.h. die Nichtigkeit der Ehe entsteht in diesen Fällen nicht aufgrund der Ungültigkeit des Konsenses. 54 Vgl. dazu die Kritik von WEBER, Erfüllungsunvermögen (Anm.44), 173 zu Überlegungen von BARROIS, Personalität (Anm. 50), die denen von Bruns ähnlich sind, ohne allerdings den Terminus Konsenshindemis zu verwen­den. 55 Unter Formmangel ist hier sowohl ein Fehler bei der Vornahme der kirch­lichen Eheschließungsform (z.B. fehlende Delegation) wie auch das völlige Außerachtlassen der kirchlichen Eheschließungsform seitens formpflichti­ger Personen zu subsumieren. In beiden Fällen kann ein für eine spätere Heilung in der Wurzel ausreichender Konsens vorhanden sein. Vgl. B. PRI­METSHOFER, Die kanonistische Bewertung der Zivilehe, in: AkKR 155 (1986), 400-427.

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