Folia Theologica 6. (1995)

Bruno Primetshofer: Die Fähigkeit zum Ehekonsens nach Kanonischem Recht

12 B. PRIMETSHOFER brauch gegeben ist, d.h. daß eine gültige Ehe nicht eingegangen werden kann21. Allerdings kann diese (einfache) Rechtsvermutung durch direk­ten Gegenbeweis entkräftet werden, wobei der Länge der Remissionssta­dien eine entscheidende Bedeutung zukommt: Je länger nämlich der Zwi­schenraum zwischen zwei Krankheitsschüben ist, desto eher wird ange­nommen, daß in diesem Zeitraum ein hinreichender Vernunftgebrauch gegeben war. Für eine in einem solchen längeren Remissionsstadium ge­schlossene Ehe spricht daher trotz vorher und nachher aufgetretener Schübe die Vermutung der Gültigkeit, so daß ein „constare de nullitate”- Urteil aufgrund der allgemeinen Vermutung für die Gültigkeit der Ehe (c. 1060; c. 1014 CIC/1917) nicht gefällt werden kann22. Neben angeborenen oder ohne eigenes Zutun entstandenen Geistes­krankheiten (endogenen Faktoren) können auch von außen kommende Einflüsse (exogene Faktoren) den Vernunftgebrauch so weit herabsetzen, ja sogar gänzlich ausschalten, daß Konsensunfähigkeit vorliegt. Zu denken ist hier an Alkohol, Gifteinwirkung (Intoxikation), Drogen, see­lisch bedingte Schockzustände. Hierbei kann es sein, daß eine den ge­nannten Einflüssen ausgesetzte Person nur vorübergehend in ihrer Er­kenntnisfähigkeit so weit reduziert ist, daß sie während dieses Zeitrau­mes keine gültige Ehe schließen kann; Gifte der genannten Art bewirken aber auch, wenn sie einer Person längere Zeit zugeführt wurden, eine all­mähliche Herabsetzung der intellektuellen Fähigkeit (und selbstverständ­lich auch der Willenskraft), so daß diese dauernd so sehr geschädigt ist, daß eine gültige Ehe überhaupt nicht mehr eingegangen werden kann. 21 O. HEGGELBACHER, Ehenichtigkeit aufgrund von Schizophrenie in der Sicht des geltenden kanonischen Rechts, in: ÖAKR 17 (1966), 17. 22 SRR 14. 6. 1963 coram Sabattani; DecSRR 55 (1963) 474-483. SEBOTT, Ehe­recht (Anm. 12), 130 zitiert in diesem Zusammenhang bereits eine frühere Entscheidung der SRR vom 22.10. 1959.

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