Folia Theologica 6. (1995)

Bruno Primetshofer: Die Fähigkeit zum Ehekonsens nach Kanonischem Recht

DIE FÄHIGKEIT ZUM EHEKONSENS 9 Aufmerksamkeit auf die grundsätzliche Konsensfähigkeit richtet8. Kon­sensunfähigkeit liegt — um dies hier gleich vorwegzunehmen — nicht einfachhin dann vor, wenn der Codex von incapacitas (c. 1095) spricht; hier wird zwischen den drei angeführten Fällen des c. 1095 noch im ein­zelnen zu unterscheiden sein9. II. Die Fähigkeit zum Erkennen 1) Der hinreichende Vernunftgebrauch (c. 1095, 1) Erstmals10 wird im materiellen Eherecht der naturrechtliche Grund­satz ausformuliert, daß es ohne hinreichenden Vernunftgebrauch keine gültige Ehe geben könne11. C. 1095, 1 vermeidet offenbar bewußt eine nähere Umschreibung des angesprochenen Tatbestandes, sondern spricht vom Erfordernis eines hinreichenden (sufficiens) Vernunftgebrauchs. Damit wird ausgedrückt, daß ein Kontrahent nicht nur dann als konsens­unfähig zu bezeichnen ist, wenn ihm der Vernunftgebrauch völlig fehlt (amentia), sondern auch, wenn er zwar eine gewisse Fähigkeit zum Er­kennen besitzt, aber von der Gewichtigkeit der zu treffenden Entschei­dung, nämlich dem gegenseitigen personalen Sich-Übergeben und -An­8 Vgl. dazu J. FORNÉS, Derecho matrimonial canónico, Madrid 1990, 103-138, wo im Abschnitt (V) „Los anomalias consensuales" unterschieden wird zwischen einer „incapacidad consensual'', „ausencia o defecto de consenti- miento" und „vicios de consentimiento". 9 Den Unterschied zwischen den Tatbeständen des c. 1095,1-3 zeigt die CIC- Kommission deutlich auf. So weist sie u. a. darauf hin, daß in den beiden ersten Fällen (c. 1095, 1 und 2) „ipse actus subiectivus sane psychologicus Consensus defectu substantiali laborat", während beim dritten Fall in bezug auf den Konsens ein „actus forte integer" vorliege. Vgl. Communicationes 3 (1971), 77. (Hervorhebungen vom Verfasser). 10 Wie schon oftmals bemerkt wurde, nahm der CIC/1917 nur indirekt zur Frage der rechtlichen Relevanz von „amentia" Stellung. Im c. 1089 § 3 wurde festgelegt, daß (bei Eheschließung durch Stellvertretung) die Ehe ungültig sei, wenn der Mandant vor Durchführung des Auftrags in Gei­steskrankheit (amentia) gefallen sei. C. 1982 spricht von Eheprozessen aus dem Klagegrund der „amentia". 11 Kritisch zur Frage der Notwendigkeit einer Kodifikation der in c. 1095, 1 und 2 ausgesprochenen Nichtigkeitsgründe M. F. POMPEDDA, II consenso matrimoniale nel suo soggetto. Consenso quale atto psicologico, in: „Dilexit iusti- tiam" FS für Aurelio Card. Sabattani, Città del Vaticano 1984, 6 f.

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