Folia Theologica 3. (1992)

Leo Scheffczyk: Zur Unsterblichkeitsproblematik bei Thomas von Aquin

ZUR UNSTERBLICHKEITSPROBLEMATIK 67 elles in sich zu einer Einheit zusammenschließt, die nie ohne Spannung gedacht werden kann.45 Darum ist auch das Verhältnis von Leib und Seele, über das Thomas in einer Vielzahl von Werken spricht (im Kommentar zum ersten Korinther­brief, in der Quaestio disputata de anima, im zweiten Buch der Summa contra gentiles, in der Summa theologica und im kurzen Compendium),46 immer in antithetischen Aussagen ausgedrückt, die jedoch in keinen Wi­derspruch zueinander treten. So nimmt die Seele im Vergleich mit den reinen Formen der Geister die niedrigste Stufe ein, ist aber im Vergleich mit den körperlichen, vegetativen und sensitiven Formen der geschaffenen Dinge die höchste, weil eine geistige und intellektuelle Form.47 Den reinen Geistern ist sie unterlegen, weil sie als Seele zur Verlebendigung und Informierung des Leibes bestimmt und für ihre eigene Vollendung auf diesen angewiesen ist.48 Aber aufgrund ihrer Geistigkeit ist sie dem materiellen Leib so überlegen, daß sie ihn gänzlich erfassen, gestalten und mit ihm als Entelechie eine wesentliche Einheit eingehen kann, ohne doch 45 Positiv legt die Eigenart des Thomas dar: K. KREMER, Wer ist das eigentlich — der Mensch? Zur Frage nach dem Menschen bei Thomas von Acjuin, in: Trierer Theologische Zeitschrift 84 (1975) 73-84,129-143, etwas S. 74 f: „Da ist zunächst der das Denksystem des Aquinaten beherrschende und stets bewunderte Ordo-Gedanke, durch den gerade auch der Mensch einen ... klar umschriebe­nen Platz und Stellenwert im Ganzen des Seienden erhält. Dieses Ordnungs­prinzip besagt im wesentlichen: Gott hat alles geschaffen. Da er jedoch nichts ohne Weisheit schafft,... schafft er die Dinge in ihrem Dasein dadurch, daß er sie (auf sich hin und zueinaner) ordnet. Was immer von Gott stammt, ist geordnet". Die Vermittlung des Schöpfungsglaubens durch den griechischen Weisheitsbegriff („sapientis est ordinare") führe bei Thomas dazu, daß das Menschenbild vom Gottes- und Weltbegriff untrennbar sei, selbst wo der Kosmos im Menschen einen gewissen Gipfel erreichen soll: Auch dort „... ist die thomanische Anthropologie durch diese anthropozentrische Ausrichtung des Kosmos nicht ohne den Gegenpol der Kosmik durchführbar"; „konstitutiv für den thomanischen Ordnungs-Begriff ist daher eine durchgehende Finalität ... und die Theozentrik des Geamtkosmos...". 46 Vgl. L. SCHEFFCZYK, a.a.O., 31 f. 47 Vgl. Q. D. De anima I co; VII co. 48 „... Licet anima sublissima sit formarum in quantum est intelligens, quia tamen cum sit infima in genere formarum intelligibilium, indiget corpori uniri quod sit mediante complexionis ad hoc quod per sensus species intelligibiles possint acquirere, necessarium fuit quod corpus cui unitur haberet plus in quantitate de gravibus elementis, scilicet terra et aqua": Q. D. De anima VIII ad 1.

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