Folia Theologica 3. (1992)

Leo Scheffczyk: Zur Unsterblichkeitsproblematik bei Thomas von Aquin

66 L. SCHEFFCZYK dann aber doch wieder zurückschrecken, um das Urteil in eine gewisse Mittellage zu bringen, die etwa besagt: Thomas ist mit seinem ursprüng­lich positiven Leib-Seele-Ansatz in der Eschatologie in unauflösbare Schwierigkeiten oder Widersprüche geraten und sei denkerisch nicht kon­sequent gewesen.42 Übereinstimmung besteht bei diesen Interpretationen in der Ablehnung eines leiblosen Weiterexistierens der Seele, also der Unsterblichkeit der anima separata, was aber weiterführt zur Preisgabe des Seelenbegriffes selbst.43 Angesichts dieser zweispaltigen Thomasdeutung — positiv im Grund­sätzlichen, negativ im Speziellen — muß die weitere Frage an Thomas selbst gerichtet werden. 3. Die Frage nach der Stellung der „Unsterblichkeit” im philosophisch-theologischen Denken des Thomas von Aquin Beim Vergleich der thomasischen Seelenlehre mit der neueren Transzen­dentaltheologie kann nicht unbemerkt bleiben, daß Thomas nicht so stark anthropozentrisch ansetzt und ausgerichtet ist, wie es ihm die modernen Interpreten zuschreiben.44 Von Aristoteles herkommend, vom neuplato­nischen, dionysianischen Stufungsgedanken beeindruckt und im mittelal­terlichen Ordogedanken verwurzelt, geht er von der Wirklichkeit der Welt als hierarchischer Schöpfung Gottes aus und erfaßt in ihr die merkwürdige Zwischen- oder Doppelstellung des Menschen, der Geistiges und Materi­42 So Klaus P. FISCHER, Der Tod - „Trennung von Seele und Leib"?, in: Wagnis Theologie. Erfahrungen mit der Theologie K. Rahners (hrsg. von H. Vorgrimler) Freiburg 1979,316. 43 Vgl. dazu W. BREUNING (Hrsg.), „Seele”. Problembegriff christlicher Escha­tologie (Quaest. disp. 106) Freiburg 1986. 44 So bemerkt K. FLASCH, Das philosophische Denken im Mittelalter. Von Au­f ustin zu Machiavelli, Stuttgart 1986, 330, daß die von Thomas anerkannte pontaneität des Erkennens nicht mit der idealistischen Auffassung des Erkennens identisch ist.

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