Folia Theologica 2. (1991)

László Boda: Aspekte zur Theologie der Selbstverwirklichung

88 L. BODA an.10 Es wäre sogar heute schon keine besondere Kühnheit, mehr eine logische Konklusion. Die Selbstverwirklichung als menschliche Grund­tendenz ist nämlich heute theoretisch und durch die Erfahrung so stark begründet, dass ihre theologische Integration sich nicht weiter verspäten darf. Nicht der Begriff ist also fragwürdig, sondern seine Bedeutung, besonders seine ethische und theologische Transzendenz. Dazu ist es notwendig, den aristotelischen Urbegriff „Entelekheia” (aus „en-telos-ek- hein”) richtig zu interpretieren. Das bedeutet nämlich nicht, dass der werdende Mensch das Ziel nur „in sich selbst”, in seiner Immanenz trägt, weil das zugleich den Ausschluss der transzendentalen Dimension bedeu­tete. Die entelekhale Personwerdung schliesst also die soziale und theolo­gische Dimension überhaupt nicht aus. Der Mensch ist bei Aristoteles ein von Gott an sich gezogenes und der Gesellschaft zugeordnetes Wesen (vgl. die Idee „zoon politikon”). Der Begriff „Entelekheia” bedeutet also, dass das Ziel der menschlichen Entwicklung die entwickelte Person ist. Die Person selbst aber richtet sich auf die mitmenschlichen Beziehungen ebenso, wie auf Gott. Es bedeutet solcherweise keine egoistisch-autonome Begriffsverfassung. Die richtig verstandene Selbstverwirklichung impliziert demnach eine im Gewissen wurzelnde Lebensaufgabe und zugleich eine Grundverantwor­tung vor uns selbst und vor Gott. Es klingt wie ein Sprichwort, wenn man sagt: „Es gibt nicht einmal zwei Blätter, die genau gleich sind”. Die überraschende Entdeckung der Biolo­gie war, dass eine einzige Zelle eines Organismus im gewissen Sinne auch ein Individuum ist, das seine eigene Aufgabe hat. Viel mehr ist die menschliche Person ein Individuum, dessen Verwirklichung in seinem eigenen Wesen nicht nur eine „Aufgabe”, sondern auch eine „Antwort” ist. Von Kierkegaard inspiriert kann das theologisch so formuliert werden: die Selbstverwirklichung ist eine lebensdauernde, personen-bezogene Bildhauerarbeit, wonach unser autentisches Wesen realisiert wird, dieser Jemand, der von Gott gerufen und beim Namen genannt wurde.11 10 Es wird z.B. von ROMELT akzeptiert, dass die Selbstverwirklichung ein „ethischer Grundimperativ” ist (a. a. O. 679.) — Der Verfasser dieses Aufsat­zes integriert die Idee in die Grundimperative des natürlichen Sittengesetzes. 11 Kierkegaards Bekehrung wurde davon inspiriert. Gesammelte Werke VI, Je­na, 1910, 209—212.

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