Folia Theologica 2. (1991)
Leo Scheffczyk: Das Petrusamt: Dienst an der Einheit in der Wahrheit
14 L. SCHEFFCZYK eingeht, hat er es ganz erfahren und kann wirklich in Ihm sein. Wie sollte z.B. ein Mensch wirklich „in Christus sein” können, der in Christus (wie es heute gelegentlich geschieht) nur einen Sozialrevolutionär oder einen edlen Menschen sieht? Um „in Christus sein” zu können, muß der Mensch auch im Glauben erkannt haben, wer dieser Christus war, ob er der Gottessohn oder nur ein gewöhnlicher Mensch oder gar ein Betrüger war. Das „Sein in Gott” bleibt so immer auf das wahre Bekenntnis angewiesen, wenn der Glaube nicht ein rein subjektives und irrationales Wähnen sein soll. Nur durch das wahre Bekenntnis, das nach auen dringt, kann auch Gemeinschaft des Glaubens entstehen. Ein unartikuliertes, rein inneres „Bleiben in der Wahrheit”, das nach außen nicht ausweisbar und prjifbar ist, kann keine Gemeinschaft stiften. Die Leugnung von wahren Aussagen und verbindlichen Sätzen im Bereich des Glaubens kommt aus einer Geisteshaltung, die sich zwischen Wahrheit und Irrtum, zwischen Glauben und Unglauben nicht mehr entscheiden kann und will. Sie führt zu einem Christentum ohne Entscheidung, das seine eindeutige Gestalt einbüßt und der Welt nicht mehr als feste, harte große gegenübertreten kann. Eine Kirche, die die Wahrheitsfrage nicht mehr stellt und klar beantwortet, kann zwischen Glauben und Unglauben nicht mehr unterscheiden (den Glauben im Sinne eines unaussprechbaren „Seins in Gott” werden ja alle irgendwie für sich beanspruchen). Wenn aber diese Unterscheidung fällt, ist die Kirche als „Gemeinschaft der Glaubenden” im Kern getroffen. Sie gleicht dann einem Organismus, der die sich bildenden Giftstoffe nicht mehr abzustoßen vermag. Man sollte auch nicht meinen, daß eine Kirche, die in Lehrfragen keine verbindliche Aussagen mehr zu machen vermag, dem modernen Menschen unbedingt attraktiver erscheinen müßte. J. Kahl sieht „Das Elend des Christentums” heute nicht zuletzt in dem „Chaos” der Theologie und des Glaubens. Auch moderne evangelische Theologen betonen heute wieder mehr die Wichtigkeit lehrhafter Wahrheitsaussagen (und damit auch die Bedeutung der theologischen Differenzen) für den Glauben. Die Kirche war sich immer bewußt, daß sie vor der Menschheit das Zeugnis für die göttliche Wahrheit abzulegen habe, und zwar gerade auch durch die Auslegung dieser Wahrheit in Form von bekenntnishaften Sätzen. Im Amt des Papstes gewinnt dieses ihr Zeugenamt wieder die höchste Repräsentanz. Hier zeigt sich von neuem, daß es bei der Diskussion des