Folia Theologica 2. (1991)

Leo Scheffczyk: Das Petrusamt: Dienst an der Einheit in der Wahrheit

12 L. SCHEFFCZYK zukommt, auch wieder an die Gemeinschaft des Episkopates und schließ­lich an die Gemeinschaft der ganzen Kirche zurückbindet und mit ihr organisch verknüpft. „Die päpstliche Unfehlbarkeit nämlich hat ihren Grund und ihren Sinn in der Unfehlbarkeit des ganzen Gottesvolkes bzw. in dem Leben, welches das Gottesvolk aus der Offenbarungswahrheit vollzieht”. Freilich ist damit nicht gemeint, daß der Papst den Anspruch eines irrtumsfreien Lehrurteils erst nach Zustimmung der Bischöfe und des Volkes erheben könnte. Dann wäre ihm dieses Charisma als einzelner Amtsperson schon nicht mehr zu eigen. Er wäre in diesem Betracht nicht der höchste Repräsentant, in dem sich die Kräfte des Episkopats und der Kirche konzentrieren und in dem sich auf spezifische Weise die Nachfolge Petri und das Vikariat Christi manifestiert. Man kann den Begriff der „Unfehlbarkeit” unverfänglicher und in der Sache doch nicht weniger gehaltvoll interpretieren, wenn man unter ihm die geistgewirkte Zuverlässigkeit und Untrüglichkeit des päpstlichen Lehrurteils in Sachen des Glaubens und der Sitten (im Falle endgültiger und für die ganze Kirche bestimmter Entscheidungen) versteht. „Unfehl­barkeit” besagt dann nicht mehr (aber auch nicht weniger), als daß in einem solchen Falle das Evangelium irrtumslos ausgelegt wird, daß die Wahrheit des Evangeliums unverfälscht und darum gültig zutage tritt und über ihren Sinn richtig geurteilt wird. So gesehen, ist die „Unfehlbarkeit” des Papstes im Akt eines entscheidenden Lehrurteils (bei dem er niemals außerhalb der Einheit mit dem Episkopat und der Kirche steht) ein sachliches Erfordernis seines Amtes in der Nachfolge des Petrus als entscheidendem Zeugen des Glaubens. Wenn der von Christus geschenkte Glauben solcher Zeugen bedarf (die Stiftung des Apostolats ist ein Beweis dafür), dann wäre es ein Verhängnis, wenn Christus sie beim höchsten Zeugnisakt in die Irre gehen lassen würde. Ein von Gott bestellter Zeuge, der von Gott nicht auch die Befähigung zum echten Zeugnis empfängt und der das göttliche Zeugnis auch verfälschen könnte, wäre schlechter als gar keiner. Ein „göttlicher” Zeuge kann im Grunde kein falscher Zeuge sein. Die Untrüglichkeit des pästlichen Lehrurteils in bestimmten Entschei­dungsfällen ergibt sich eigentlich sinngemäß, wenn man den von Christus bestimmten Charakter dieses Amtes ernst nimmt. Es ist nicht denkbar, daß Christus ein Amt der Bezeugung seiner Wahrheit gestiftet hat, dessen

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