Folia Theologica 1. (1990)

László Vanyó: Die Christologia des Gregor von Nyssa als Mittelweg zwischen Antiochien und Alexandrien

102 L. VANYÓ umfangreichere Widerlegung des Apollinaris entstand etwa später, im Jahre 387.5 In dem Brief an Theophil hat Gregor sich gerechtfertigt, weil er von dem grossmächtigen Patriarchen verdächtigt war, dass er die sogenannte Unterscheidungschristologie vertreten hat. Diese Tat­sache lässt darauf folgern, dass der Nyssener als Feind der apollinaristi­schen physischen Vereinigung angesehen war, obwohl der Antirrheticos nur später geschrieben wurde. Den Grund der Verdäch­tigungen hatten die früheren Schriften des Nysseners geliefert, die von den Parteigängern des Apollinaris schon angegriffen wurden. Gregor lehnte die Beschuldigungen ab, gleicher Zeit rief er den Patriarchen zum Kampf gegen den Apollinarismus auf. Wir wissen nicht, ob die Er­mahnung des Nysseners Erfolg gehabt habe, wahrscheinlich nicht. Soviel ist sicher, dass Theodoret von Kyros in dem zum Eranistes zu- sammengestellen Florileg zur Unterstützung seiner eigenen, d.h. antio- chenischer Auffassung eine Reihe von Gregor-Texte als Zeuge zitieren könnte. Die Schätzung von Gregors Leistung war also sehr verschieden bei dem Antiochener und dem Alexandriner, was die Beschuldigungen Theolphils und die Zitate von Theodoret beweisen. Sein Antiapollina­rismus rückt den Nyssener schon in die Nähe der antiochenischen Christologie, und die übrige Charakterzüge seiner christologischen Stellungnahme diese geistige Verwandschft bestätigen. Notwendig ist zu bemerken: zur Abfassungszeit der zwei Schriften kann man noch nicht von erstarrten christologischen Typen sprechen. Die Überein­stimmung der Ansichten von Gregor mit denen der Antiochener sollte also nicht bewusst sein. Eine bewusst angesetzte Absicht des Nysseners war dagegen die Vertei­digung der überlieferten kirchlichen Lehre oder deren, die Gregor als solche gedacht hat. Damit ist das Glaubensbekenntnis von Nizäa- Constantinopel gemeint, dessen christologischer Artikel von Fleisch­werdung und Menschwerdung des Sohnes gesprochen hat. Man kann nicht sagen, dass Gregor von Nyssa von dem doppelten Wortgebrauch von "Sarkösis" und "Enanthröpésis" allzu beeindruckt wurde. Ohne Schwierigkeit bedient er sich mit beiden Begriffen nebeneinander. Sein 5. G. MAY: Die Chronologie des Lebens und der Werke des Gregor von Nyssa, in Ecriture et Culture Philosophique dans la Pensée de Grégoire de Nysse, Leiden, 1971, S. 61.

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