Folia Theologica et Canonica 11. 33/25 (2022)

Sacra theologia

82 MARKUS ENDERS die sich aus dem zugrunde gelegten ontologischen Gottesbegriff einer unend­lichen Seinsvollkommenheit als deren Implikate ableiten lassen.48 Die inhaltliche Normativität des ontologischen Gottesbegriffs aber fordert die Annahme nicht nur einer göttlichen Persönlichkeit, d. h. einer vollkomme­nes Selbstbewusstsein und vollkommenes (willentliches) Selbstbestimmungs­vermögen, mithin höchste Freiheit besitzenden Personalität Gottes; sie macht gleichermaßen die Annahme zu einem Vemunftpostulat, dass Gott auch in sich selbst vollkommen gut, d. h. höchste Selbstmitteilung und daher unter Wahrung seiner wesenhaften Einfachheit das Beziehungsgefüge dreier sub­­sistierender Relationen, mit anderen Worten: dass er in sich das rein geistige, dreieinige, unendliche Wesen vollkommener Liebe ist, wie es das christliche Gottesverständnis annimmt. Darüber hinaus macht der ontologische Vemunft­­begriff Gottes die Annahme erforderlich, dass Gott auch anderen Wesenheiten ein dann notwendigerweise von dem eigenen Sein wesensverschiedenes Sein verleiht, um diese - und zwar die ihm ähnlichsten auch am meisten, weil diese am meisten aufnahmefähig sind für seine unendliche Seinsfülle - an seiner ihm eigenen Vollkommenheit teilhaben zu lassen, und das nicht nur für eine begrenzte Zeit (da eine solche Begrenzung nicht unübertrefflich wäre), son­dern für immer und ewig. Denn genau dies, andere Wesenheiten an der eige­nen Seinsfülle (neidlos) teilhaben zu lassen und damit im Verhältnis zu diesen von ihm wesensverschiedenen Naturen zugleich (ihnen) immanent und trans­zendent zu sein, gehört notwendig zum Begriff des unendlichen Guten, wel­ches daher sowohl in sich selbst als auch nach außen, d. h. in seinem Verhältnis zu anderem Seienden, diffusivum et communicativum sui (Pseudo-Dionysius Areopagita, Bonaventura), d. h. vollkommene Selbstmitteilung, Selbst-Gabe sein muss. Mit anderen Worten: Das christliche Verständnis Gottes als des Schöpfers aller von ihm wesensverschiedenen Entitäten ist ein Implikat des ontologischen Gottesbegriffs. Dass zu diesen von einem unübertrefflich guten Gott daher notwendigerweise hervorgebrachten, endlichen Naturen auch geistbegabte und (innerhalb vorgegebener Grenzen) selbstbestimmungsfähi­ge, mithin (relativ) freie Wesen gehören müssen, folgt ebenfalls aus dem zu­grunde gelegten ontologischen Gottesbegriff. Denn durch deren hypothetisch angenommenes Fehlen in der Welt-Schöpfung eines solchen Gottes würde seiner Schöpfüngstätigkeit ein mögliches Vollkommenheitsmerkmal abgehen, 48 Vgl. Zum ontologischen Gottesbegriff bei Hegel, vgl. Enders, M., Der ontologische Gottes­beweis'. Rekonstruktion und Kritik von Georg Wilhelm Friedrich Hegels Rehabilitierung des ontologischen Gottesbeweises „zu Schellings Verständnis des ontologischen Gottesbeweises“. Vgl. Enders, M., Das Prius des Seins vor dem Denken. Zu Schellings Kritik und Transforma­tion des ontologischen Gottesbeweises in seiner Spätphilosophie, in Haga, J. - Salatowsky, S. - Schmidt-Biggemann, W. (Hrsg.), Das Projekt der Aufklärung. Philosophisch-theologische Debatten von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Walter Spam zum 75. Geburtstag, Leipzig 2018.269-296.

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