Folia Theologica et Canonica 11. 33/25 (2022)

Sacra theologia

DENKEN DES UNÜBERTREFFLICHEN - DIE ZWEIFACHE NORMATIVITÄT...75 Als ein wissenschaftlich akzeptierter Fachterminus ist seit Immanuel Kant nur der Ausdruck ,ontologischer Gottesbeweis4, bzw. ,ontologisches Argu­ment4, nicht aber der Ausdruck des ,ontologischen GottesbegrifFs4 geläufig. Unter einem ,ontologischen Gottesbeweis4 versteht Kant ausdrücklich jenen Typ eines Beweises der realen Existenz Gottes, der von aller Erfahrung abstra­hiert und „gänzlich a priori aus bloßen Begriffen auf das Dasein einer höchs­ten Ursache4421 schließt, d. h. ohne Rückgriff auf Erfahrung und damit rein apriorisch das Dasein Gottes zu beweisen sucht. Bei diesem sogenannten „on­tologischen Gottesbeweis“ handelt es sich also um ein Argument, in dem die bloße Begriffsbestimmung des bezeichneten Gegenstandes, also Gottes, die Erkenntnis seiner wirklichen Existenz einschließt. Dabei weist der Ausdruck „ontologisch“ daraufhin, dass sich der Beweis „auf Grundbegriffe der Onto­logie-nämlich ,Seiendes4, ,Existenz4,,Wesenheit4 (essentia), Vollkommen­heit4 (perfectio) bzw. gleichbedeutend Realität (realitás) - sowie auf ontologi­sche Grundsätze“ stützt, „z. B. die These, dass,Existenz4 eine Vollkommenheit sei oder dass sich das Wirklichsein gegenüber dem Gedachtsein durch einen Seinsüberschuss auszeichne“21 22. Unter einem „ontologischen Gottesbegriff“ soll hier ein solcher Gottesbegriff verstanden werden, der alle für die Beweis­kraft des erläuterten ontologischen Gottesbeweistyps erforderlichen Prämis­sen in sich enthält. Auf die philosophiegeschichtlichen Vorstufen des ontolo­gischen Gottesbegriffs im Platonismus und vor allem im Seinsverständnis des (Neu-) Platonismus (Plotin, Proklos) kann hier nicht mehr eingegangen, son­dern nur auf einen dafür grundlegenden Aufsatz von Jens Halfwassen verwie­sen werden.23 Als bedeutsam hierfür erscheint dem Verfasser an dieser Stelle allerdings der Hinweis darauf, dass erst durch die schon von Porphyrius vor­genommene und von Marius Victorinus und von Augustinus verständlicher­weise begeistert aufgenommene Zusammenführung der beiden ersten neupla­tonischen Hypostasen (des geist- und seinslosen Einen und des seienden Einen bzw. des absoluten Geistes als des vollkommenen Seins) in dem ersten und einzigen Prinzip aller Wirklichkeit es christlicherseits möglich wurde, den metaphysischen, und zwar den platonisch-neuplatonischen, Seins- und ein­schlussweise auch Geist-Begriff in dieser modifizierten Gestalt auch auf den trinitarischen Gott des christlichen Glaubens zu beziehen. Denn dieser — der christliche Gott - ist in sich zugleich dreifältiger Geist, höchstes, vollkomme­nes Sein und in seinem Wesen differenzlos einfach. Erst in dieser christlich 21 Kant, I., Kritik der reinen Vernunft, in Kant, I., Werke in zehn Bänden (Hrsg. Weischedel, W.), III. und IV. Darmstadt 1983.5 B 619; A 591. 22 Röd, W., Der Gott der reinen Vernunft, 21. 23 Halfwassen, J., Sein als uneingeschränkte Fülle. Zur Vorgeschichte des ontologischen Gottes­beweises im antiken Platonismus, in Zeitschrift für philosophische Forschung 56 (2002) 497— 516.

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