Folia Theologica et Canonica 11. 33/25 (2022)
Sacra theologia
DENKEN DES UNÜBERTREFFLICHEN - DIE ZWEIFACHE NORMATIVITÄT... 71 kommen soll, ein Beziehungsgefiige dreier subsistierender Relationen bzw. göttlicher Personen sein. Doch auch mit diesem Schritt ist die Entdeckungsgeschichte der Normativität des metaphysischen, und zwar zunächst sowohl des seins- und geistmetaphysischen als auch des einheitsmetaphysischen Gottesbegriffs in der abendländischen Philosophie keineswegs abgeschlossen. Denn zu dieser Geschichte leistet das Christentum einen bedeutenden Beitrag, auf den im Folgenden etwas näher eingegangen werden soll. IV. Der christliche Gottesbegriff: Der trinitarische Gott als Geist und als reine Liebe Das zunächst nur implizit trinitarische Gottesverständnis des Christentums behauptet von Anfang an, dass Gott an und in sich selbst Geist (Joh 4,24) als auch die reine Gestalt vollkommener Liebe ist (1 Joh 4,16). Denn Liebe ist in ihrer Wesensnatur die lebendige (Beziehungs-) Einheit der wechselseitigen Selbsthingabe zweier (personal) unterschiedener Wesen und daher triadisch verfasst. Daher muss Gott, der sich nach christlichem Verständnis in seinem Mensch gewordenen Sohn als das vollkommene Übermaß der Liebe zu den Menschen erwiesen hat, in sich selbst die lebendige, personal subsistierende (Beziehungs-) Einheit der wechselseitigen Selbsthingabe von Vater und Sohn als zweier (personal) Unterschiedener und damit ein dreifältiger Gott sein. Als solcher aber ist er selbst das Wesen vollkommener Liebe. Weil also die nach christlichem Verständnis Gott eigene Seinsweise das Wesen reiner Liebe ist, ist die ihm angemessenste Wesensbestimmung des christlichen Gottes die Liebe, ist der christliche Gott in sich selbst das dreifältige Leben der Liebe. Die Göttlichkeit Gottes, d. h. Gottes ihm eigentümliche Natur, liegt daher für einen Christen nicht primär, wie etwa für den heidnischen Neuplatoniker oder für den Muslim, in der relationslosen Einfachheit des göttlichen Wesens begründet; sie ist ebenso und genau genommen umfassender und damit eigentlicher verwirklicht in der schlechthin unübertrefflichen Vollkommenheit des göttlichtrinitarischen Seins reiner Liebe. Denn die Seinsvollkommenheit der Liebe umfasst begrifflich die vollkommene Einfachheit, nicht jedoch umgekehrt. Nicht nur in seiner Wirkung nach außen, sondern auch in sich selbst vollkommene Liebe und damit die Beziehungseinheit dreier subsistierender Relationen bzw. Personen zu sein,8 stellt zudem eine mögliche Seinsvollkommenheit dar, die Gott als dem Inbegriff Schlechthinniger Unübertrefflichkeit nicht Zum Relationsgefuge in der christlichen Trinitätstheologie des Thomas von Aquin vgl. Schmidbaur, H. C., Personarum Trinitas. Die trinitarische Gotteslehre des heiligen Thomas von Aquin, St. Ottilien 1995. 387^147.