Folia Theologica et Canonica 11. 33/25 (2022)

Sacra theologia

68 MARKUS ENDERS Gedanke nicht nur für das philosophische Denken, sondern für das mensch­liche Denken überhaupt ist. Damit spricht Hegel dem Gottesgedanken eine Normativität zu, die sich mit Blick auf dessen Geschichte im abendländischen Denken durchaus verifizieren lässt: Dass der Gottesgedanke der in seinem Ge­halt größte bzw. erhabenste Gedanke überhaupt für das natürliche Erkenntnis­vermögen des Menschen ist, und zwar unabhängig davon, ob der Gehalt des Gottesbegriffs vom menschlichen Intellekt vollständig erfasst werden kann, wie Hegel annimmt, oder ob er das natürliche Erkenntnisvermögen des menschlichen Intellekts zugleich auch transzendiert, d. h. für den menschli­chen Intellekt unausschöpflich und somit auch nicht vollständig begreifbar ist, wie die meisten Gott-Denker in der Tradition der abendländischen Philoso­phie annehmen. Denn der Gottesgedanke ist zweifelsohne die größte Heraus­forderung für das philosophische Denken im Abendland durch nahezu seine gesamte Geschichte hindurch gewesen. Dieser auffallende Umstand dürfte kaum zufällig sein, sondern im philosophischen Denken selbst seinen Grund haben. II. Die Entdeckung der Normativität des Gottesnamens IN DER MYTHISCHEN THEOLOGIE DER GRIECHEN Der Grund, der die herausragende, ja einzigartige Bedeutung des Gottes­gedankens für das philosophische Denken verstehen lässt, kann bereits am geschichtlichen Anfang der abendländischen Philosophie im vorsokratischen Denken der Griechen gefunden werden. Diesem Anfang geht jedoch bereits eine Epoche des frühgriechischen religiösen Denkens in mythischer Gestalt voraus, welche die religiöse Herkunft des Gottesnamens sichtbar macht und in welcher der normative Charakter des Gottesnamens bereits entdeckt worden ist. Aus Umfangsgründen kann diese ursprüngliche Entdeckungsgeschichte der Normativität des Gottesnamens im mythischen Denken der Griechen in diesem Zusammenhang allerdings nicht rekonstruiert werden. Das hat der Verfasser andernorts bereits versucht.2 Das sachlich wichtigste Ergebnis sei­ner diesbezüglichen Rekonstruktion liegt in dem Aufweis, dass die mythische Theologie der Griechen von den homerischen Epen bis zur griechischen Tra­gödie, und zwar hier genauer bis zu Sophokles, eine kontinuierliche Entwick­lung hin zur Einsicht in die normative Gültigkeit der drei daher auch klassisch gewordenen, metaphysischen Gottesprädikate der Allmacht, der Allwissenheit 2 Vgl. Enders, M., Entdeckung und Bestimmung der Normativität des Gottesnamens in der Theo­logie ' der Griechen, in Enders, M., Gott im Denken der Philosophie. Die Entdeckung der Nor­mativität des Gottesbegriffs im philosophischen Denken des Abendlandes (Ruhstorfer, K. (Hrsg.), Gotteslehre. Modul 7: Theologie studieren im modularisierten Studiengang), Paderborn 2014. 192-206.

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