Folia Theologica et Canonica 11. 33/25 (2022)

Sacra theologia

58 BORIS WANDRUSZKA und immer zum Absoluten, zu Gott streben.9 Und da für ihn, wie für alle ab­solutistischen Denker, Gott das eigentliche Sein, das Sein schlechthin, das vollkommene Sein, ja einfachhin das Sein ist, demgegenüber alles andere Seiende fast nichts ist, kann es nicht verwundern, dass es in seinem Gesamt­werk direkt oder indirekt immer um das Göttliche, um Gott, sein Ursein, sein Wesen, sein Leben und sein Wirken geht. Eine Erkenntnis, die daher nicht in Gott wurzelt bzw. letztlich nicht zu ihm hinführt, bleibt für ihn daher in einer unverbindlichen, existenziell nicht bindenden und daher nicht wirklich tragen­den Schwebe.10 IV. Das Absolute im Hiesigen Das erkennen wir sofort, wenn wir betrachten, wie Béla von Brandenstein die einzelnen philosophischen Disziplinen in seiner sechsbändigen Grundlegung entfaltet: Es geht ihm stets darum, die letzten Kategorien, also die grundlegen­den Seinsbestimmungen einer Seinsart, z. B. des Qualitativen, des Logischen, des Mathematischen, des Schönen, des Guten, des Wahren und Heiligen, bzw. deren entsprechenden menschlichen Aktvollzüge aufzudecken.11 Als solche letzte Bestimmungsgründe sind sie aber nichts anderes als das Göttliche selbst, und zwar erstens in bestimmter Hinsicht und zweitens welt­immanent, insofern eben das Göttliche das bedingte Seiende trägt, ermöglicht und durchleuchtet, d. h. analog im tieferen Seinsrang des Geschöpflichen er­scheint. Wenn von Brandenstein etwa aufzeigt, dass alles Quantitative (Ge­stalt-, Größen- und Zahlenhafte) auf die drei letzten Bestimmungsgründe der Ganzheit, Gleichheit und Einheit zurückgeht, dann legt er im quantitativen Seinsbereich, der erweisbar universal ist, nicht nur eine trinitarische Struktur frei - eben als Ganzheit, Gleichheit, Einheit -, sondern auch solche Katego­rien, die nur noch durch sich selbst bedingt sind, also einen quasigöttlichen Status annehmen. Denn ein Sein, das rein für sich besteht und dabei ganz, mit sich total gleich und völlig (unteilbar-) einheitlich ist, kann erweisbar nur gött­lich sein. Somit erhellt, dass von Brandenstein bereits in seinen sogenannten vor­metaphysischen Wissenschaften, also in jenen Wissenschaften, die vom inne­ren Aufbau des Seienden als Seienden handeln, wir können wahlweise auch 9 Persönliche Mitteilung an den Autor. 10 So verhält es sich etwa bei Karl Jaspers, der das Absolute bzw. Gott für theoretisch unerweisbar hält, weswegen die Letztaussagen seiner Philosophie, nach seiner eigenen Aussage, in der Schwebe bleiben. 11 Vgl. von Brandenstein, B., Grundlegung der Philosophie, I: Seinslehre, Gehaltlehre/Totik undFormenlehre/Logik; II: Gestaltungslehre/Mathematik), München-Salzburg 1965.

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