Folia Theologica et Canonica 11. 33/25 (2022)

Sacra theologia

DIE GOTTESFRAGE ALS ZIEL- UND ANGELPUNKT IN DER PHILOSOPHIE...57 er kann aber auch wie Aristoteles, Thomas und Franz Brentano ein Dialektiker sein, der auf streng logisch argumentierendem Wege von den unmittelbaren Gegebenheiten zu deren vorletzten und letzten Seins- und Erkenntnisvoraus­setzungen zurückfragt, ja er kann auch beides sein. Dabei zeigt die Dialektik zwischen Intuition und Diskurs, dass das unmittelbar Gegebene nicht existie­ren bzw. nicht gedacht werden könnte, wenn seine nur mittelbaren Seins- und Erkenntnisvoraussetzungen nicht gültig wären. Wir haben es hier also mit ei­nem Rückschluss, einer Reduktion bzw. Regression zu tun, die vom Bedingten des Gegebenen zum Bedingenden seiner notwendigen Voraussetzungen zu­rückfuhrt und, wenn sie auf diesem Weg auf etwas stößt, das keine Bedingung mehr hat und haben kann, eben weil es sich nur noch selbst bedingt, ein Letz­tes, einen Letztgrund, eine Letztbedingung erreicht.5 Alle große Philosophie hat diese beiden Wege beschritten, auch wenn sie sich dessen nicht immer methodisch klar bewusst war und fälschlicherweise zuweilen die logische Regression als Induktion oder Deduktion bestimmte.6 Der bedeutende ungarische Philosoph Akos von Pauler (1876 bis 1933) hat als erster diesen „reduktiven“ Weg bewusst beschrieben, durchdacht, von den an­deren Erkenntnismethoden der Deskription, Induktion und Deduktion streng geschieden, in einer eigenen tiefsinnigen Wahrheitstheorie systematisiert und als Reduktion bezeichnet;7 und sein Schüler Béla von Brandenstein (1901 bis 1989) hat, darauf aufbauend, mittels der reduktiv-regressiven Methode eine vielbändige Grundlegung der Philosophie,8 vor allem eine Metaphysik erbaut, die einzigartig dasteht und bis heute noch völlig unbekannt geblieben ist, auch hier in Ungarn, woraus er nach dem Zweiten Weltkrieg von Stalins Truppen vertrieben worden war. Es ist mir darum eine besondere Ehre, Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, einen der Ihren und, wie ich wage zu be­haupten, einen Ihrer ganz Großen gewissermaßen zurückbringen zu dürfen! III. Der Gottesbezug Da Brandenstein nicht nur ein großer Dialektiker, sondern auch ein großer intuitiver Erschauer war, wusste er schon als 18jähriger Gymnasiast, dass wir stets, wenn auch meist nur unbewusst, vom Absoluten, ja von Gott, ausgehen 5 Letztgrund heißt lateinisch prinzipium, griechisch arché. 6 René Descartes und Immanuel Kant etwa sprechen öfters von „Deduktion“, wo sie der Sache nach eine Reduktion bzw. Regression durchführen. Spinoza dagegen versucht in seinem Haupt­werk „Ethik“ tatsächlich deduktiv vorzugehen, was sich aber als problematisch erweist. 7 Vgl. von Pauler, A., Logik. Versuch einer Theorie der Wahrheit, Berlin 1929. 8 Vgl. von Brandenstein, B., Grundlegung der Philosophie, I-VI. München-Salzburg 1965— 1970.

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