Folia Theologica et Canonica 11. 33/25 (2022)

Sacra theologia

52 KRISZTIÁN VINCZE geschichten Christi in der Bibel, merken wir, dass bei allen Wundem die gute Nachricht darin besteht, dass trotz der Aussichtlosigkeit der Situation, inmit­ten großen Verzweiflungen, am Ende durfte der Mensch mit der Möglichkeit des positiven Ablaufs rechnen und ihn erleben. Kurz bevor die finale Ver­zweiflung den Menschen verschlingen würde, wird der Mensch die befreiende Macht Gottes erfahren. Simone Weil hat ein faszinierendes Bild darüber in ihren Cahiers. Ein Kind schaut jene Ameise an, die auf einer glatten, rutschi­gen Fläche hinaufzusteigen versucht. Auf der spiegelähnlichen Fläche rutscht sie aber stets zurück. Irgendwann will sie hinauf, rettungslos rutscht und fällt sie immer zurück. Weil erzählt, das Kind ergötzte sich über die ergebnislosen Bemühungen der Ameise, dann nimmt einen Strohhalm in die Hand, erlaubt der Ameise, auf diesen Strohhalm zu klettern, und überhebt damit die Ameise auf die andere Seite, wohin sie alleine nicht kommen konnte. Weil formuliert dieses Bild, nachdem sie behauptete, Gott sei „allmächtig, um die zu retten, die von ihm gerettet werden wollen“.12 Mensch zu sein bedeutet, dass wir alleine die Garantie des Sinnes unseres Lebens nicht sichern können. Mensch zu sein bedeutet, dass wir nicht imstan­de sind, aus unseren eigenen Kräften, Grenzsituationen aufzulösen, da wir nicht Schöpfer und Arrangeur unseres eigenen Lebens sind. Zugleich haben aber gottglaubende Menschen erfahren, Menschen, die auf Gott in ihrer Ver­nunft oder in ihrem Herz gefunden haben, dass Er alleine inmitten aussichts­loser Situationen, inmitten in Verzweiflung treibender Momente für die Ga­rantie des Sinnes unseres Lebens bürgen kann. Gott hebt uns oft auf, Gott hebt uns oft über. Aufgrund solcher göttlichen Aufhebungen und Überhebungen tragen wir in uns die Tugend der Hoffnung. Zusammenfassung In den drei vorherigen Gedankeneinheiten versuchte ich darauf hinweisen, welche Sinne der Mensch für Gott hat, und an welchen Grenzen der Mensch gelangt, bei denen er Gott finden kann. Als erstes haben wir den vernünftigen Menschen betrachtet, der sich in seinem Denken bis zur äußersten Grenze hi­nausstreckt, wenn er das Unsagbare, das Namenslose mit Namen versieht. Das Aussprechen des Wortes „Gott“ ist zugleich das Ergreifen des Universums. Mit dem Wort „Gott“ können wir überhaupt erst nach unserer Rolle im Uni­versum fragen. Zweitens habe ich über den Menschen gesprochen, der mit seinem Herzen Gott findet. Der Mensch kann auch durch seine Affektivität in „Gottes Gefangenschaft“13 geraten. Unsere Affektivität ist wiederum das Or­12 Weil, S., Cahiers, IV. (Aufzeichnungen, Bdl-4), München-Wien 1998. 74. 13 Der Ausdruck kommt von Simone Weil (...) Zitationsdaten reinschreiben!

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