Folia Theologica et Canonica 11. 33/25 (2022)

Sacra theologia

44 KRISZTIÁN VINCZE sind Lebensform und Lebensweise eines Menschen die Konsequenz dessen, wie der Mensch zu sich selbst, zu der Welt und zu Gott verhält. In den drei folgenden Gedankeneinheiten möchte ich kurz aufzeigen, wie der Mensch an die Grenzen seines Denkens, seiner Affektivität und seiner Handlungspraxis zu den Grenzen gelangt, an denen er sich Gott gegenüber öffnen kann. Unsere Sinne, unsere Organe für Gott sind eben genau diese Grenzerfahrungen (im Denken, in der Affektivität und in der Handlungspra­xis), in denen wir über die rein immanente Realität hinausblicken können. I. Der Mensch, der durch seine Vernunft Gott gegenüber offen ist Karl Rahner, der große Theologe des 20. Jahrhunderts, denkt in seinem be­kanntesten Werk danach über, was das Wort, was der Begriff Gott bedeutet. Woher kommt eigentlich dieses Wort, wie wird es überhaupt gebraucht? Rahner meint, dieses Wort sei kein Zeigefinger, mit dem wir auf etwas Kon­kretes hinzeigen können, wie dies im Fall der Objekte gewöhnlich ist.2 Die Besonderheit dieses Wortes besteht eben darin, dass man dadurch auf das Un­­aussagbare, auf das Namenslose hinweist, das für den menschlichen Verstand nicht begreifbar ist. Der Theologe behauptet, durch dieses Wort sei der Mensch fähig, vor die Gesamtheit der Realität, vor die Gänze des Seins zu stehen, und ihr bezüglich Fragen zu stellen. Dieses Wort macht den Menschen zu Men­schen, ohne dieses Wort, oder im Fall der Verschollenheit dieses Wortes, der Mensch wäre nicht mehr Mensch. Mensch zu sein bedeutet nämlich, dass wir nicht nur technisch-rational Wesen sind, sondern wir vermögen uns unser ob­jektiviertes Sein und die Gänze der Realität gegenüberzustellen. Die europäische Philosophie, die westliche Denktradition kennen mehrere Gottesargumente. Diese Argumente sind Denkwege, die die Existenz Gottes rational zu demonstrieren bezwecken. Anselm von Canterbury geht aus dem Begriff Gottes aus, er reflektiert gleichzeitig die religiöse Erfahrung des Men­schen, und versucht seinen Leser in seinen Proslogion zur Einsicht der Exis­tenz Gottes zu fuhren. Diesen Gedankenweg kennen wir als ontologischer Gottesbeweis. Gott ist - seiner Definition entsprechend - der, von dem wir uns kein Größeres vorstellen können. Der Mensch kann sich in seinem Denken nach dem Großen das Größere denken, dann das noch Größere, und weitere Größere denken, schließlich merkt er, dass er sich von dem Gedenkbaren, von dem begrifflich Ausdruckbaren abtut, er reißt sich von dem Objektivierbaren los, er reißt sich von dem los, was in Perzeptionen ergriffen werden kann. An diesem Punkt ist der Mensch bei dem, was alles übertrifft und alles übergreift. In diesem Fall breiten wir uns in unserem Denken eigentlich bis zu den äußers- 1 1 Vgl. Rahner, K., Grundkurs des Glaubens, Freiburg-Basel-Wien 1976. 2.1 Kapitel.

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