Folia Theologica et Canonica 7. 29/21 (2018)

Sacra theologia

DER DIALOG VON PHILOSOPHIE UND THEOLOGIE... 89 Verhaltensweisen in den Mittelpunkt seiner Untersuchung stellt: das Verhalten des Fragens, der Verwunderung und der Gelassenheit. Klar zu sehen ist, dass er um einen wahren Dialog mit dem deutschen Philosophen bestrebt ist, da er sei­nen großen Themen entlang fortgeht. Der Schweizer Theologe ist mit Heidegger darin einverstanden, dass es die ausgezeichnete Seinsmöglichkeit des Menschen im Vergleich zu den üblichen Seienden ist, die Möglichkeit der Frage zu haben.14 Er vermag nicht nur in par­tikulärer Hinsicht nach dem Sein der einzelnen Seienden oder seiner selbst zu fragen, aber nach seiner Existenz und der der Seienden. Selbst sein eigenes Sein, die Ganzheit seiner Existenz ist fraglich für ihn. Nicht nur sein eigenes Sein, aber auch das der Ganzheit der Seienden, des Seienden als Seienden in seiner Totalität. Balthasar ist mit Heidegger auch darin einverstanden, dass die grundlegende, umfängliche und originäre Frage der Philosophie/Metaphysik die Frage „Warum ist überhaupt Seiendes und nicht vielmehr nichts?“ ist. Der originäre Beruf der Metaphysik besteht darin, diese Frage unaufhörlich aufrecht zu erhalten und zu beantworten. Den Standpunkt Heideggers, dass also der Gläubige nicht imstande sei, diese Grundfrage der Metaphysik gebührenden Ernstes und mit Entschlossenheit zu stellen, kann er aber nicht hinnehmen. Mit dem Übertritt zur gläubigen Existenz hört man doch nicht auf, im Raum der on­tologischen Differenz und das fragende Wesen zu sein, das das Sein seiner selbst und der Ganzheit der Seienden in Frage zu stellen vermag. Balthasar merkt an: „Es entsteht ein falscher, schwer zu zerstreuender Schein, wenn man sagt: der Metaphysiker kann das Sein nur 'befragen', der Christ aber bringt von der Offenbarung her fertige Antworten, die den Akt des Denkens überschwin­gen und innerlich zerstören.”15 Wie bereits weiter oben darauf verwiesen, ist das Verstehen und die gläubige Annahme der offenbarten Wahrheit ohne die impli­zite oder explizite Bedingung der Grundfrage bezüglich des Sinnes des Seins unmöglich. An diesem Punkt wird es klar, dass Balthasar den Akt des Glaubens anders als Heidegger vorstellt. Während der deutsche Philosoph darin einen Sprung sieht, der die metaphysische Grundfrage hinter sich lässt, sieht es der Schweizer Theologe als einen Akt, dessen Raum die metaphysische Frage bleibt und zwar dergestalt, dass der Akt des auf die Offenbarung Antwort gebenden Glaubens ohne die Frage bezüglich des Sinnes des Seins erst gar nicht zustande kommen und bestehen kann. Balthasar kann das organische Verhältnis der Existenzweise des Philosophen und des Gläubigen von der Verwunderung her noch mehr entfalten. Zum Aus­gangspunkt nimmt er den Gedanken Heideggers, der die Aussage von Platon und Aristoteles über das Staunen als Anfang (arché) der Philosophie in dem Sinne interpretiert, dass die Verwunderung nicht bloß sein Anfang in der Zeit, 14 EPh 4; Vergl. Das Ganze im Fragment. Aspekte der Geschichtstheologie, Einsiedeln 1963. 15 TE III/1/2, 983.

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