Folia Theologica et Canonica 7. 29/21 (2018)

Sacra theologia

90 ATTILA PUSKÁS aber bleibende Grundstimmung und durchgehende Quelle des philosophischen Denkens ist. Einverstanden mit dem deutschen Philosophen, aber kritisch zu­gleich betrachtet er das Denken über das Wunder des Seins als grundsätzliche Aufgabe der Metaphysik. „Die Verwunderung über das Sein ist nicht nur An­satz, sondern - wie Heidegger sieht - bleibendes Element (arché) des Denkens. Das aber besagt - gegen Heidegger -, dass es nicht nur verwunderlich ist, dass Seiendes in der Differenz zum Sein sich über das Sein wundern kann, vielmehr ebenso, dass das Sein als solches und von sich her bis zum Ende ’wundert’, sich als Wunder, wunderlich und wunderbar benimmt. Dieses Ur-Wunder festhal­tend zu bedenken, müsste das Grundanliegen der Metaphysik sein (...).”16 Der Schweizer Theologe folgt Heideggers Analyse des Aktes des Staunens nicht mehr weiter, leistet aber eine Interpretation der heideggerschen ontologischen Differenz aus eigener Perspektive. In seiner Lesart zerspaltet sich die ontolo­gische Differenz in die kohärente Einheit einer vierfaltigen Differenz. Dem­gemäß besteht die ontologische Differenz aus den folgenden vier Differenzen. (1) Die Differenz zwischen der persönlichen Existenz des Ich und dem Sein, er­fahren in der interpersonalen Beziehung, eminenter Weise anlässlich des kind­lichen zum Selbst/Seinsbewusstsein Kommens. (2) Die Differenz zwischen der (Ganzheit) der Seienden und dem Sein. (3) Die Differenz zwischen dem Sein und dem Wesen. (4) Die Differenz zwischen Gott und der Welt. Alle Differen­zen entfalten sich aus einander und erscheinen als einzelne Stadien der Ver­wunderung über dem nicht notwendigen Sein. In der Erfahrung der Differenz kommt „das Wort, das Sprechen des Seins“ zum Empfänger, gibt über die freie Möglichkeit der Existenz kund, die Verwunderung hervorruft. „Die Kunde des Seins, wie gezeigt, einfältig beschlossen in der Verwunderung des ersten Augenaufschlags des Kindes zur Wirklichkeit: dass es inmitten von Seiendem sein darf. Dieses Dürfen ist durch keine hinzukommende Einsicht in Gesetze und innerweltliche Nezessitäten einholbar.”17 18 19 Den Rahmen der Interpretation der ontologischen Differenz lässt Balthasar dadurch bilden, dass er den Unter­schied von Verwunderung und Bewunderung aufzeigt. Während der Gegen­stand der Bewunderung die Schönheit des Seienden im Ganzen, die Ordnung und die Gesetzte des Kosmos, bzw. die Tatsache sind, „dass alles innerhalb der Seinsnotwendigkeit so wunderbar ’schön’ geordnet scheint”,1* bilden den Ge­genstand der Verwunderung nicht die schön geschmückten Seienden oder die Ordnung der Welt, sondern, dass Seiendes ist und nicht nichts.1'1 Die Ursache 16 TE III/1/2, 944. Der mit Balthasars Philosophie tiefgehend beschäftigte David Schindler unler­­zieht Heideggers Untersuchung der Verwunderung einer detaillierten und kritischen Analyse: Schindler, D. C., The Catholicity of Reason. Michigan-Cambridge 2013. 163-230. 17 TE III/1/2,963. 18 TE III/1/2, 943. 19 TE III/1/2, 939; 969.

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