Folia Theologica et Canonica 7. 29/21 (2018)

Sacra theologia

86 ATTILA PUSKAS findet der Schweizer Theologe ein weiteres Argument dafür, dass die Theologie die Philosophie braucht. Er legt Akzent darauf, dass Gott, obgleich sein Wort jede menschliche Erwartung übersteigt, sich nur dem offenbaren kann, der die dringliche Frage nach dem letzten Sinn des Seins stellt. „Gottes Wort wendet sich an Interessierte, an ’die Weisheit mit Liebe Suchende’, was der eigentliche Sinn des Wortes ’Philo-Soph’ ist. Und in diesem Sinn muss jeder des Mensch­seins würdiger Mensch Philosoph sein, und er kann es auch, ohne in fachphilo­sophischen Einzelheiten bewandert zu sein. Einem Menschen hingegen, der aufhören würde zu philosophieren, weil es ihm genügt, die Welt technisch zu beherrschen, ohne die Sinnfrage nach dem Ganzen zu stellen, hätte Gottes Wort in der Bibel nichts mehr zu sagen, besser: es würde ihm ’nichts mehr sagen’, und der Dialog zwischen beiden bliebe ein ’dialogue de sourds’" (ein Dialog von Tauben).7 8 Diese Feststellung bedeutet aber auch, dass man das Ver­hältnis von Philosophie und Theologie nicht als eines von Fragen und Antwor­ten missverstehen darf. Es verhält sich nicht so, als ob man aufgrund der Offen­barung fertige und voll verstandene Antworten hätte, die dann bloß auf die philosophischen Fragen anzuwenden seien. Es geht vielmehr darum, dass wir die Offenbarung nicht in ihrer Tiefe zu verstehen vermögen, lassen wir uns nicht vorgängig schon allen Ernstes auf philosophische Fragen ein. 4. Das hermeneutische Argument vorgängigen Verstehens. Die Theologie bedarf einer reflektierten philosophischen Arbeit/Befragung nicht bloß um die Offenbarung umfassender zu verstehen, sondern auch um heimlichen, unref­lektierten, vorgängig wirkenden philosophischen und ideologischen Annahmen und Entscheidungen nicht zu verfallen." Da das Verstehen immer von einem vorgängigen (Seins)Verständnis geleitet wird, bedarf die Theologie der Arbeit der Philosophie, um das vorgängige Seinsverständnis einer Kultur bewusst zu machen, gleichwie um einen eigenen, angemessenen, kritisch reflektierten Verständnishorizont zu entwerfen. Gerade die Geschichte der Exegese zeigt, welch unerwünschte Reduktionen bezüglich der Reflexion auf das vorgängige Verstehen das Fehlen philosophischer Reflexion zur Folge haben kann. 5. Die Not philosophischer Herausforderung. Balthasar betont, dass die Theologie, um die Offenbarung richtig und tiefer verstehen zu können, bereit sein muss, sich mit den kritischen Fragen der Philosophie auseinanderzusetzen. So muss sie bereit sein, Rechenschaft über die berechtigten Gesichtspunkte der Ausarbeitung der philosophischen Gottesidee abzulegen, und zwar um die Got­tes Selbstenthüllung bezeugende biblische Botschaft angemessener zu verstehen. Mit dem formalen Begriff des „Non-Aliud“ des Cusanus z.B., der zugleich die pantheistische, deistische oder allzu anthropomorphe Interpretation des Ver­7 EPh 5. 8 von Balthasar, H. U., Theologik, I: Wahrheit der Welt, Einsiedeln 1985. XTV.

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