Folia Theologica et Canonica 7. 29/21 (2018)
Sacra theologia
DIALOGISCHE FREIHEIT ALS WEG ZUM VERSTEHEN DER THEO-DRAMATIK 105 Analogie zeichnet nach Balthasar zweierlei aus. Zum Ersten, dass von Gott die endliche Freiheit als sein geschaffenes Urbild als eine echte autonome Freiheit an sich selbst freigegeben ist. Für Balthasar ist gerade dies der größtmögliche Ausdruck der Allmacht Gottes, dem es möglich ist, in sich selbst von seiner absoluten Freiheit Raum zu geben für andere, geschöpfliche Freiheit. Zum Zweiten bedeutet die Analogie freiheitspragmatisch, dass die Freiheit erst dort sich selbst wählt und zur wahren Freiheit bestimmt, wo sie Gott als Grund und Ziel ihrer eigenen Freiheit wählt, die ihrem Wesen nach selbst unbedingt und darum unendlich ist. Anders formuliert: In der biblischen Offenbarung zeigt sich, dass Gott selbst die „Freiheit der endlichen Freiheit“ ist und dass das Theodrama darin besteht, dass die endliche Freiheit von Gott geschaffen ist, sich in einer freien Wahl zu ihm hin selbst zu vollenden, insofern sie sich in einem Entscheid für Gott auf den ihr an-gemessenen Gehalt von Freiheit öffnet. Dieser kann nur unendlich sein, sodass Gott selbst ihrer eigenen geschöpflichen Unbedingtheit entspricht. Damit löst sich allererst in der christlichen Gottesbeziehung das Paradox der endlichen Freiheit in ihrer „unendlichen Endlichkeit“.6 Denn im Raum der unendlichen Freiheit kann sich die endliche Freiheit dessen bewusst werden, dass sie in einem größeren Horizont der Freiheit zu stehen kommt, nämlich in der Freiheit Gottes, der sie in die Gemeinschaft mit sich selbst geladen und berufen hat. Nicht im Menschen selbst liegt also das Maß seiner Freiheit, sondern allein in dem Gott, von dem sie herkommt. Also nicht: „Cogito ergo sum“, wie es die Neuzeit mit Descartes sprechen wird, sondern: „Cogitor ergo sum“: Ich werde gedacht, von Gott, also bin ich und bin ich frei. Oder mit Augustinus formuliert: „Der Mensch lebt ,über sich1.“ Damit offenbart sich für Balthasar im Horizont des Jüdisch-Christlichen eine fundamentale Grammatik, die wie ein Wasserzeichen in die endliche Freiheit eingeschrieben ist. Wie lässt sich diese näherhin bestimmen? Eben darin, dass das Moment der Absolutheit, das jeder geschaffenen Freiheit als „unendlicher Endlichkeit“ innewohnt, sie seinsmäßig geradezu „nötigt“, Gott als ihr Gravitationszentrum anzuerkennen und sich in Freiheit für ihn zu entscheiden, sodass sie mit Gott sich selber wählt. Mit dieser These stehen wir Balthasar zufolge vor der tragenden Tradition der östlichen und westlichen Patristik sowie des gesamten scholastischen Mittelalters in seinen prägenden Gestalten bis hin an die Schwelle der Neuzeit, wo selbst noch Picco della Mirandola - Balthasar zufolge der „angebliche Titan der menschlichen Autonomie“7 - daran festhält, dass das Paradox der endlichen Freiheit in ihrem Streben nach Unendlichkeit sich nur in Gott selbst auflösen lässt. In dieser Sicht wird aus dem Scheitern der Freiheit 6 Theodramatik II/1. 206. 7 Theodramatik II/1. 205. Balthasar zitiert entsprechend aus Tico: „Dauernd treibt deinen Geist der bewegende göttliche Geist (...) lassest du ihn gewähren, so wirst du zu Gott hingebracht (...) das ist wahre Glückseligkeit, mit Gott zusammen ein Geist zu sein, um so Gott bei Gott und nicht bei uns zu besitzen; zu erkennen wie wir erkannt sind.“