Folia Theologica et Canonica 7. 29/21 (2018)
Sacra theologia
104 HERMANN STINGLHAMMER heitsraum. in dem jede geschaffene Freiheit von Gott mit ihrer eigenen - und das heißt - christologischen - Sendung zur echten Freiheit „dramatisiert" wird3. Das bedeutet rückblickend, dass das endliche Freiheitsbewusstsein zum einen bereits den Reflex darauf bildet, dass der eigentliche Seinsraum des Menschen Freiheit ist. Zugleich bleibt aber im Raum seiner Endlichkeit eine geschöpfliche „Schwebe“, was denn der Inhalt einer solchen Freiheit ist, bis nicht Gott selbst als Raum menschlicher Selbstbestimmung in Gott auf sie Zutritt. Noch einmal anders gesagt: Endliche Freiheit ist eine auf Gott hin vorläufige Freiheit, die ihr Ziel nicht in sich selber findet. 2. Die theo-logische Begründung der These Balthasar weist im Zusammenhang seiner zunächst formal-abstrakten freiheitstheologischen Argumentation in Theodramatik 2,1 daraufhin, dass bereits in der antiken Philosophie gesehen wird, dass autonome geschöpfliche Freiheit nur im Horizont der unendlichen Freiheit zu denken ist. Als die höchste Form einer solchen Philosophie von Antik-außerchristlichen nennt Balthasar die Philosophie Plotins. Allerdings bleibt auch hier der unüberbrückbare Graben zwischen endlicher und unendlicher Freiheit - der plotinische „chorismos" - der die endliche Freiheit zur tragischen Freiheit werden lässt, weil Mensch und Gott nicht zueinander kommen.4 Nach Balthasar löst sich diese Tragik erst im Raum der biblischen Offenbarung, in dem sie sich als eine Freiheit begreifen darf, die eingeladen ist, sich selbst in der unendlichen Freiheit Gottes zu vollenden. Diese biblisch-christliche Sichtweise bleibt für Balthasar auch die kritische Norm für das moderne Freiheitsdenken, das sich von Gott lossagt, um dann den Menschen in seinem absoluten Freiheitsstreben selbst nicht mehr verstehen zu können - denken wir nur an Sartre. Dies ist die Tragik der modernen Freiheit. Im Horizont des biblischen Freiheitsdenkens erweist sich die Verhältnisbestimmung von geschöpflicher und göttlicher Freiheit für Balthasar als eine Beziehung der Analogie. Das bedeutet, dass bei aller bleibender Unterschiedenheit der geschöpflichen Freiheit zur stets je größeren göttlichen Freiheit dennoch eine Ähnlichkeit besteht, die es erlaubt, dass das geschöpfliche Urbild sich im göttlichen Urbild einholt und vollendet.5 Dieses Verhältnis der 3 Diese Sicht deutet sich übrigens bereits in der Theoästhetik an, sofern Balthasar in der Differenz von „Erblickung“ und „Entrückung“ deutlich macht, dass der Mensch erst dort zu seiner eigenen Freiheit aufgerichtet wird, wo der göttliche Gott der Offenbarung - die unendliche Freiheit - ihn aufruhend vor ihm erscheint. 4 Der antike Mythos des Sisyphos, der den Stein (der Endlichkeit) vergeblich nach oben wiil/l und immer wieder an seinem Ziel scheitert, steht genau dafür. 5 Vgl. dazu den Satz aus dem 4. Laterankonzil (1215): „Denn zwischen dem Schöpfer und dem Geschöpf kann man keine so große Ähnlichkeit feststellen, dass zwischen ihnen keine noch größere Unähnlichkeit festzustellen wäre.“ (DH 806).