Folia Theologica et Canonica 7. 29/21 (2018)

Sacra theologia

DIALOGISCHE FREIHEIT ALS WEG ZUM VERSTEHEN DER THEO-DRAMATIK 103 hin zu Nietzsche erkennt:2 Nämlich jene Absolutsetzung des freien Subjekts, das sich aus dem relationalen Zueinander herausnimmt, um sich selbst zum absoluten Mittelpunkt aufzurichten, dem alles andere, auch jede andere Frei­heit, untergeordnet wird. Jene Autonomie, die das alleinige Maß des Ich auf­richtet und alles andere darauf bezieht. Darin erkennt Balthasar jene Egoität, die - bildlich gesprochen - alles wie ein gigantisches schwarzes Loch im Kos­mos in sich hineinsaugt und auflöst. Damit löst das Ich aber die positive Diffe­renz von Ich und Du auf, in der erst wechselseitige Bereicherung im Modus wechselseitiger Liebe und Anerkennung möglich ist. Das egozentrische Ich bleibt in der Konsequenz ein armes, weil unbeschenktes Ich, eine monologi­sche Freiheit, die nicht über sich selbst hinaus kommt und in den Reichtum hineinfindet, der ihr nur durch andere Freiheit geschenkt werden kann. Mit an­deren Worten: Die egozentrische Autonomie bildet nach Balthasar einen seins­widrigen Solipsismus, der gerade darum scheitert, weil er am ontologischen Seinssinn einer endlichen Freiheit vorbeilebt, der den freien Austausch im Ineinander der Liebe besagt. Die sich selbst absolut setzende Freiheit bleibt im letzten eine „leere“ Freiheit. Doch auch wenn die endliche Freiheit sich auf das dialogische Spiel der Freiheiten einlässt, so steht ihr doch im Raum der End­lichkeit eine Grenze entgegen, die sie in ihrem unbedingten Freiheitsstreben tangiert: Jede Freiheitsgestalt, die sich mir anbietet, ist notorisch endlich. Dies aber entspricht gerade nicht dem unbedingten Ausgriff meiner Freiheit, der nicht irgendeine Identität zusagt oder die nur „ein bisschen“ Freiheit will, son­dern nur jene Freiheit, die mit meiner Identität zusammenfällt, weil beide letzt­lich aufeinander integrieren. Identität und Freiheit sind so letztlich „Absolut­begriffe“. Erst wo sich in der Frage nach mir selbst eine unbedingte Antwort einstellt, werde ich frei zu mir selbst. Genau an dieser Stelle der menschlichen Freiheitsaporie öffnet sich für Bal­thasar theologisch der Raum der unendlichen Freiheit, aus dem heraus die end­liche Freiheit von Gott mit ihrer personidentischen Sendung zu ihrem eigenen Selbst freigesetzt wird. Er verweist daher stets auf Apk 2,17, da der Geist Gottes spricht: „Ich werde ihm einen weißen Stein geben und auf dem Stein steht ein neuer Name, den nur der kennt, der ihn empfängt“. Dieser Vers steht in seiner Sicht für die Grundbestimmung menschlicher Identität, sofern dem Menschen diese allein von Gott her, sofern er von dort mit ihr beschenkt wird. Dies ist auch der Fokus, auf den der breit ausgeführte dramengeschichtliche Band der Prolegomena am Beginn der Theodramatik hinzielt. Dieser umkreist letztendlich die existentielle Frage des Menschen „wer bin ich?“ wie sie im Orakel von Delphi formuliert wird, um dann schließlich hinüberzureichen in den eigentlichen Spielraum der Theodramatik, in den christologischen Frei­2 Dieser Titanismus der sich absolut setzenden Freiheit ist bereits die Spur, der Baltasar schon in seinem voluminösen dreibändigen Anfangswerk „Apokalypse der deutschen Seele“ nachdenkt.

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