Folia Theologica et Canonica 5. 27/19 (2016)

SACRA THEOLOGIA - Imre Kocsis, Die Gnade Gottes und der Heilige Geist in der Rechtfertigungslehre des Apostels Paulus

DIE GNADE GOTTES UND DER HEILIGE GEIST IN DER RECHTFERTIGUNGSLEHRE... 23 2. Der Zustand der Gerechtfertigten: freier Weg zur Gnade - Gottes Liebe in unseren Herzen In der Auffassung von Paulus ist die Gnade nicht nur das Fundament der Recht­fertigung, sondern auch das Unterpfand des Gerechtseins. Darum handelt es sich in Rom 5,1-11, wo der Apostel den Zustand des gerechtfertigten Men­schen darstellt, und zwar so, dass er dabei sowohl auf die Vergangenheit als auch auf die Zukunft einen Blick wirft. Als erste „Frucht“ der Rechtfertigung nennt er den „Frieden“ (eipiivr|), der hier nicht mit dem psychischen Gleichgewicht identisch ist, sondern den Frie­den mit Gott bedeutet. Es handelt sich nicht nur um das Ende des früheren, aus dem Ungehorsam des Menschen entstandenen feindlichen Verhältnisses (V. IO). Der Frieden als Folge der Erlösung besteht grundsätzlich in einem furchtlosen Kindschaftsverhältnis, wodurch der Gläubige sich in jeder Situation Gott als Vater zuwenden kann (vgl. Röm 8,14-16). Um diese neue Beziehung geht es in V. 2: „Durch ihn haben wir auch den Zugang zu der Gnade erhalten, in der wir stehen (...).“ Das griechische Substantiv 7tpooaycoyr| bedeutet „Zu­gang“ oder „Zutritt“.17 Der Ausdruck stammt aus dem Wortgebrauch des Kul­tes: erbezeichnete den Zutritt zum Tempel als den Zugang zu Gott.18 19 20 Es ist inte­ressant, dass es sich in unserem Text um „den Zugang zur Gnade“ handelt. Die Gnade wird als das Heiligtum Gottes („Sanctissimum Gottes“1'*) vorgestellt, in das nicht nur einige Auserwählten, sondern alle Glaubenden Zutritt haben. Beachtenswert ist auch die andere Bemerkung über die Gnade: „in der wir stehen.“ Die Perfektform (ècmr|Kapev) macht es eindeutig, dass die gegenwär­tige Situation Ergebnis des sich in der Vergangenheit abspielenden, zur Ge­rechtigkeit führenden Handeln Gottes ist. Den gerechten Zustand erhielten wir durch die Zuwendung und Erlösungstat Gottes in Jesus Christus. Gleichwohl ist das gnädige Wohlwollen, das sich im vergangenen Handeln zeigte, dauernd wirksam als solche Kraft, die den Gläubigen unterhält und bewahrt. Die Vorstellung, dass wir in der „Sphäre“ der /ápiQ einen festen Anhalt ge­funden haben, die uns „aufrecht" hält, hängt vermutlich mit der hellenistisch­jüdischen Auffassung zusammen, nach der Gott der „Feststehende“ (ó èoxcóq) ist, der den Veränderungen der Geschöpfe nicht unterworfen ist und in dem auch die menschlichen Seelen Ruhe linden.2" Das Stehen in der Gnade, das 17 Vgl. Bauer, W„ Wörterbuch zum Neuen Testament, 1411. 18 „In der hellenistischen Umwelt entspricht diesem Sprachgebrauch eine Verwendung im Kon­text des Herrscherkults, wo 7ipoaceyQyyr| mit seinen Stammverwandten und Synonymen die Zu­lassung zur Audienz beim König bezeichnet." Wolter, M., Der Brief an die Römer I (EKK VI/1 ), Neukirchen-Vluyn 2014. 321. 19 Wilckens, U., Der Brief an die Römer, 289. 20 Philon, Post Cain 23.

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