Folia Theologica et Canonica 5. 27/19 (2016)

SACRA THEOLOGIA - Imre Kocsis, Die Gnade Gottes und der Heilige Geist in der Rechtfertigungslehre des Apostels Paulus

20 IMRE KOCSIS Kräften loszulösen nicht vermag, ruft er den Herrn um radikale Erneuerung an: „Erschaffe mir, Gott, ein reines Herz und gib mir einen neuen, beständigen Geist! Verwirf mich nicht von deinem Angesicht und nimm deinen heiligen Geist nicht von mir!“ Der Psalmist fleht eigentlich darum, dass der Herr ihn neu erschafft, das heißt einen „starken Geist“ in ihm entstehen lässt und so seine Denkart und seinen Willen festigt, damit er nicht mehr in seinem Verhalten wankt, sondern entschieden das Gesetz Gottes erfüllt. Der „starke Geist“ im Menschen entsteht erst dadurch, dass ihn Gott mit seinem „heiligen Geist“ un­terstützt. Nur die vom heiligen Gott erhaltene innere Kraft ist imstande, den Menschen zu läutern und somit zum Dienen Gottes geeignet, das heißt heilig zu machen. 2. Die Qumranschriften In den außerbiblischen Schriften wird sowohl auf die Gnade als auch auf den Heiligen Geist oft hingewiesen, aber das nähere Verbinden der beiden ist nur in den Qumranschriften zu beobachten.* Die Gemeinde in Qumran betrachtete sich als den heiligen Rest, dessen Mitglieder von dem untreu gewordenen Israel abgesondert und zugleich geläutert und des neuen Bundes teilhaftig gemacht wurden. Die Erwählung und die Heiligung geschahen ausschließlich durch die Gnade Gottes, da der Mensch aus eigenen Kräften nicht gerecht werden kann. „Was ist Fleisch im Vergleich dazu? (...) Es ist Sünde von Mutterleib an und bis zum Alter in der Schuld der Treulosigkeit. Und ich erkannte, dass beim Menschen keine Gerechtigkeit ist und nicht beim Menschenkind vollkommener Wandel“ (1QH IV, 29-30)2 Bemerkenswert ist, dass zu den Manifestationen der Gnade auch die Gabe des Geistes gehört: „Und von Mutterbrust an ist dein Erbarmen bei mir gewesen (...) Und durch gewisse Wahrheit hast du mich ge­wird. 2) Hon meint grundsätzlich Wohlwollen, freundliche Gesinnung, die meistens auf spon­tane Weise, in verschieden Formen erscheint. 3) O’Qrn ist die Pluralform von Drn (Mutterleib), die aus Mitleid entstehende Barmherzigkeit bedeutet. Vgl. Zimmerli, W., Art. xúpt? (Altes Tes­tament), in ThWNTYX (1959) 366-377. 8 In der rabbinischer Literatur kommt der Gedanke mehrfach vor, dass die Auserwählung, der Bund und die Thora selbst Manifestationen der Gnade Gottes (die in seinem Wohlwollen und in seiner Barmherzigkeit besteht) sind. Es wird sogar auch darauf Nachdruck gelegt, dass die Er­füllung des Gesetzes nur mit Gottes Hilfe möglich ist. Aber der Heilige Geist, der grundsätzlich als zur Prophetie befähigender Geist angesehen wird, ist nicht der Ausgangspunkt, sondern der Lohn des tugendhaften Lebens. Die läuternde und umformende Tätigkeit des Gottesgeistes im Sinne von Ez 36 erwarteten die Rabbinen für die Endzeit. Vgl. Schäfer, P., Die Vorstellung vom Heiligen Geist in der rabbinischer Literatur, München 1972. 9 Die Qumrantexte zitiere ich nach folgender Ausgabe: Lohse, E. (Hrsg.), Die Texte aus Qumran. Hebräisch und Deutsch, München 1986.J

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