Folia Theologica et Canonica 4. 26/18 (2015)
SACRA THEOLOGIA - Zoltán Rokay, „Philosophische" Anthropologie
74 ZOLTÁN ROKAY Im gegenwärtigen Zusammenhang möchten wir uns nur auf das europäische Denken und Kulturwesen einschränken. (Auch auf biblische Aussagen nehmen wir selten Bezug). Schon in der „vorphilosophischen" Zeit artikulierte sich in der antiken Welt die Frage nach dem Menschen („wieso sind Götter und Menschen der Moira untergeordnet?”). So in Mythen, Epen, Dramen. In der Dichtung im allgemeinen.3 Da wir uns aber mit der „philosophischen” Anthropologie beschäftigen, wollen wir einen Blick auf die Vergangenheit der (mehr - oder weniger) systematischen Betrachtung dieser Frage werfen. I. Die Vergangenheit der philosophischen Anthropologie Für sie ist charakteristisch die Frage nach dem Verhältnis von Leib und Seele (so Platon,4 Aristoteles,5 Plotinos6) - bei Augustinus das Verhältnis zur Trinität,7 in christologischen Streiten die Frage nach der Person und Substanz8 welche zweite aus dem aristotelischen Denken stammt und wird dann im hohen Mittel- alter in den eucharistischen Kontroversen9 und bei Thomas von Aquin, vor allem durch die „forma substantialis” der Seele wieder belebt.10 In der Neuzeit meldet sich der „homo humánus” bei Erasmus von Rotterdam11 12 und im Humanismus im allgemeinen als Aufgabe, sowie das Problem des gefallenen Menschen bei Luther. Die Kontroverse von der Willensfreiheit wurde im Streit zwischen Erasmus (De libero arbitrio) und Luther (De servo arbitrio)'2 wieder belebt und zugespitzt. 3 Gruppe, O., Griechische Mythologie und Religionsgeschichte, I—II. München 1906. 4 Platon, Sämmtliche Werke (Übersetzung von Friedrich Schleiermacher), Hamburg 1954. 5 Aristoteles, Peri Psyche (Oxford Classical Text), Oxford 1963. 6 Meiner, F., (Hrsg.), Platins Schriften, IV/2. Hamburg 1956. 1-2. 7 Augustinus, De Trinitate, in Patrologiae cursus completus. Series Latina, ed. Migne, LP. I-CCXXI, Lutetiae Parisiorum 1844-1864 (PL) XLII. 822-1194. 8 Grillmeier, A. Jesus Christus in Palästina, Hellas und anderswo in Lebendige Seelsorge, I (1977) 16. 9 Radbertus, P., De corpore et sanguine Domini (Corpus Christianorum, Continuano Mediaeva- lis, XVI), 1969, Ratramnus, De corpore et sanguine Domini, par van den Brink, J.N.B., Amsterdam 1954. Beati Lanfranci, Cantuariensis archiepiscopi De corpore et sanguine Domini adversus Berengarium Turonensem Liber, in PL CL. 407M42. Beringerias Turonensis, Re- scriptum contra Lanfrannum (Corpus Christianorum, Continuatio Mediaevalis, LXXXIV- LXXXIV A), 1988. 10 Rokay, Z., De imitate intellectus. Die gleichnamige Schrift des Lehrers (Albertus) und des Schülers (Thomas) in Verbum 6 (2004) 61. 11 Desiderius Erasmus, De Ubero arbitrio diatribe sive collatio (Opera 4 WB6), Darmstadt 1969. 12 Luther Martin, De servo arbitrio (Opera) WA XVIII. 600-787.
