Folia Theologica et Canonica 4. 26/18 (2015)
SACRA THEOLOGIA - Hans Mendl, Wenn der Tod einbricht (...) Kinder, Gott und das Leid
48 HANS MENDL gen und den Hilfsangeboten in sozialen Netzwerken zunehmend an Bedeutung. Dies hängt freilich auch mit der soziodemografischen Entwicklung zusammen: Wenn, wie Soziologen errechnet haben, bis zum Jahr 2020 in Deutschland nur noch jeder zweite Einwohner einer christlichen Konfession zuzurechnen ist, wächst das Bedürfnis nach Hilfestellung im Leid und Sterben auch durch Einrichtungen, die nicht religiös geprägt sind. Als problematisch erscheint es aber, wenn beispielsweise profane Trauerbegleiter nicht nur eine professionelle Konkurrenz zum kirchlichen Personal darstellen, sondern diesen qualitativ überlegen sind. Leider gibt es auch innerkirchlich die Tradition einer Trauerabwehr und einer Verdrängung des Todes oder eines Schönredens von Leid.1* Teilnehmer von Trauerfeiern beklagen nicht selten nichtssagende liturgische Worthülsen von katholischen oder evangelischen Pfarrern und die Tatsache, dass auch die kirchlichen Sterberituale und Messformulare nicht mehr verständlich sind. Demgegenüber heben sie die einfühlsamen Worte und Sprachbilder profaner Trauerredner positiv hervor. Sicher ist das Rollenset von Pfarrern heute überlastet; das reicht aber als Entschuldigung nicht aus. Denn die Konkurrenz schläft nicht! Für Jugendliche erweisen sich weniger die Kirchen als die Medien und vor allem auch die Pop- und Rockmusik als glaubwürdiger Anker in existenziell bedrohlichen Zeiten: So hat vor einigen Jahren Herbert Grönemeyer auf der CD „Mensch" seiner verstorbenen Frau ein bleibendes Vermächtnis geschaffen („Der Weg"), für das er in Konzerten mit Standing Ovations bedacht wurde. Xavier Naidoo und die Söhne Mannheims formulieren in ihren Liedtexten immer wieder eschatologisch durchdrungene existenzielle Anfragen. Die Band „Unheilig" thematisiert die Trauer um einen Verstorbenen oder Weggegangenen („Geboren um zu leben“), ebenso wie die Chanson-Sängerin Annette Louisan („Ende Dezember“) oder die A-Capella-Gruppe „Wise guys“ („Du fehlst mir so“), die auf ihrer neuen CD auch das Thema Suizid nicht ausspart („Tim“). Das Lied des Alpenrockers Andreas Gabalier „Amoi seng ma uns wieda" („Einmal sehen wir uns wieder"), in dem autobiografische Bezüge zum Selbstmord seines Vaters und seiner Schwester erkennbar sind, ist inzwischen ein Hit bei Beerdigungen, gerade von jungen Leuten, ebenso wie Sarah Conners „Das Leben ist schön“. Auf der „Top-Ten“-Liste der beliebtesten Trauersongs finden sich aus dem klassischen religiös geprägten Liedsektor lediglich Schubert „Ave Maria“ und Bachs „Air“8 9. Profane Trauerprediger, weltanschaulich neutrale Waldfriedhöfe, private Trauervereine und auch die Angebote im Internet stellen eine ernst zu nehmen8 Vgl. Garhammer, E., Trauer und Trauerabwehr im Christentum, in Lebendige Seelsorge 55 (2004) Heft 5, 349-350. 9 Vgl. http://www.t-online.de/unterhaltung/musik/id_76705208/sarah-connor-song-ist-auf-trauer- feiern-der-hit.html (21.1.2015).