Folia Theologica et Canonica 4. 26/18 (2015)
SACRA THEOLOGIA - Hans Mendl, Wenn der Tod einbricht (...) Kinder, Gott und das Leid
WENN DER TOD EINBRICHT (...) KINDER, GOTT UND DAS LEID 47 Verschwinden der Kindheit“4 bereits im Jahre 1982 herausgearbeitet, dass so etwas heute nicht mehr funktioniert: Durch die modernen Massenmedien ist die Vorstellung, man könne Kindheit als geschützten Sonderraum abtrennen, passé. Alle Gräuel dieser Welt - Kindsmisshandlungen und Kindermord, Unglücksfälle, Krieg, Seuchen, Hungerkatastrophen, auch der Tsunami - erreichen die Kinderseelen, denn solche Ereignisse sind in den Medien allgegenwärtig. Kinder betrachten Bilder in Zeitungen und Zeitschriften, an Kiosken, vor allem natürlich im Fernsehen und im Internet. Sie erfahren vom Erdbeben im fernen Nepal, vom Flugzeugabsturz in den Alpen, von Terroranschlägen in Paris und Istanbul, von Ebola-Epidemien in Afrika oder Kindsmissbrauch in Deutschland. Die genannten Themen werden auch in Kindemachrichten-Send- ungen aufbereitet. Manche Ereignisse werden regelrecht zu „Zeitmarkern“ einer ganzen Generation: Man spricht von einer „Generation Tsunami“ oder einer „Generation Fukushima“5. Das bedeutet: Bereits aus mediensoziologischen Gründen kann man Kinder vor der Konfrontation mit Leid und Tod nicht bewahren. Auch pädagogisch erscheint der Versuch, Kinder vor Leid und Tod zu bewahren, als problematisch: „Kinder brauchen keinen besonderen Schutzraum, in dem sie vor der Wirklichkeit des Todes vermeintlich sicher sind oder der ein Wissen von ihnen fernhält, für das sie noch zu klein sind. Kinder haben ihre eigenen Bewältigungsmuster und Zugangsweisen zur Wirklichkeit des Todes. Sie von der Wirklichkeit des Todes fernzuhalten, bedeutet sie zu entmündigen“6, meint Thomas Meurer. Wir dürfen Kindern keine heile Welt vorgaukeln, die mit ihrer eigenen Wirklichkeit nicht übereinstimmt.7 Wenn Kinder mit Tod und Leid konfrontiert sind, stellen sie auch die Frage nach Gott. Erwachsene müssen Kindern bei der Suche nach Antworten helfen; wie das geschehen kann, soll dann bei den religionspädagogischen Folgerungen bedacht werden. 2. Der Bedeutungsverlust der Kirchen bei der Trauerarbeit Neben der gesellschaftlichen Tendenz zur Tabuisierung und Verdrängung von Tod und Leid gibt es aber durchaus emstzunehmende Bewältigungsstrategien. Was aus einer kirchlichen Perspektive betrachtet beunruhigt: Die Kirche verliert als Ort der Trauerarbeit gegenüber anderen gesellschaftlichen Einrichtun4 Postman, N., Das Verschwinden der Kindheit, Frankfurt a. M. 1983 (The Disappearance of Childhood, 1982). 5 http://www.zeit.de/2011/13/Generation-Fukushima-Atomkraft - (13.1.2016). 6 Meurer, Th., „Ein Junge ist ein wunderbarer Ort zum Wohnen Beobachtungen zur Todesthematik in Kinder- und Jugendbüchern der Gegenwart, in Religionsunterricht an höheren Schulen 46 (2003), 20-28, hier 27f. 7 Vgl. Sauer, R„ Kinder fragen nach dem Leid. Hilfen für das Gespräch, Freiburg u.a. 1986. 112.