Folia Theologica et Canonica 4. 26/18 (2015)

SACRA THEOLOGIA - Hans Mendl, Wenn der Tod einbricht (...) Kinder, Gott und das Leid

46 HANS MENDL Annahme eines Gottes, gar eines „guten" rechtfertigen?2 Besonders dann, „wenn guten Menschen Böses widerfährt“3 - wie beispielsweise nach dem verheeren­den Erdbeben in Lissabon im Jahre 1755, bei dem vor allem fromme Kirchen­besucher ums Leben kamen? Wo ist Gott, wenn plötzlich eine junge Frau eine Gehirnblutung erleidet und mitten aus dem Leben gerissen wird? Wieso lässt Gott zu, dass ein Flugzeugpilot sein Flugzeug an einem Berg zerschellen lässt - und zahlreiche unschuldige Menschen, darunter 16 Schülerinnen und Schüler und zwei Lehrerinnen einer Schule in Haltern, im März 2015 ihr Leben verlie­ren? Oder aus der Perspektive eines Kindes ebenso dramatisch: Wieso musste mein Haustier sterben? Die Endlichkeit des Menschen, Leid und Tod bedeuten eine bleibende Her­ausforderung, die es im Folgenden zu klären gilt. Dies geschieht im klassischen hermeneutischen Dreischritt, wie er sich in der christlichen Soziallehre, in der ignatianischen Spiritualität und in einer ästhetischen Religionsdidaktik glei­chermaßen bewährt hat: Sehen (eine knappe Situationsanalyse zur gesellschaft­lichen Bedeutung der Thematik) - urteilen (theologische Antworten und pasto­rale Handlungsstrategien) - handeln (religionspädagogische Konsequenzen). 1. Die Allgegenwärtigkeit von Tod und Leid in der Gesellschaft Gesellschaftlich gibt es nach wie vor die Tendenz zu einer Tabuisierung und Verdrängung von Tod und Leid. Im Erziehungsbereich schlägt sich das im Be­mühen mancher Eltern nieder, ihre Kinder vor dem Tod zu schützen und eine glückliche Kindheit zu bewahren. Dies konkretisiert sich beispielsweise in der Beschwerde bei Lehrern, wenn ein Friedhofsbesuch geplant ist. oder in der Weigerung, die Kinder zu einer Beerdigung mitzunehmen. Auch die Forde­rung, Kreuze in Klassenzimmern abzuhängen, wird manchmal damit begrün­det. dass Kindern die Darstellung eines sadistisch zu Tode gequälten Menschen nicht zuzumuten sei. Das bewahrpädagogische Argument, man möge Kindern vor allen Gräueln der Welt bewahren und die Kindheit als geschützten Raum bewahren, ist frei­lich eine fragwürdige These. Neil Postman hat in seinem Bestseller „Das 2 So auch am 26.12.2014, als die Tsunami-Katastrophe im indischen Ozean über 200.000 Men­schen das Leben kostete. In Passau versuchten wir in einer Ringvorlesung die damit verbunde­nen Fragen theologisch zu klären: Mendl, H. - Schwienhorst-Schönberger, L. - Stinglham- mer, H., Wo war Gott, als er nicht da war?, Münster 2006. 3 Kushner, H. S., Wenn guten Menschen Böses widerfährt, Gütersloh 1994; siehe auch: Stingl- hammer, H., „Die beste aller Welten?" Kann man angesichts von Katastrophen noch an einen guten Schöpfer glauben?, in Mendl, H. - Schwienhorst-Schönberger, L. - Stinglhammer, H., Wo war Gott, 29-59.

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