Folia Theologica et Canonica 4. 26/18 (2015)

SACRA THEOLOGIA - Krisztián Vincze, Die Realität und die würde des Leidens in der Philosophie von Simone Weil

109 DIE REALITÄT UND DIE WÜRDE DES LEIDENS... Die Notwendigkeit hat ein Janus-Gesicht: Gott gegenüber ist sie der Gehor­sam selbst, sie ist der Gehorsam des ganzen Kosmos,24 uns gegenüber ist sie aber Beherrschung, Beherrschung mit der Peitsche, die wir an uns drücken müssen, auch wenn ihre Spitzen in unser Fleisch dringen. Wenn ein Lehrling sich verletzt, wenn er sich über die Müdigkeit beschwert, sagen die Arbeiter und Bauer in Frankreich: „Das Gewerbe ist in seinen Leib eingedrungen“. Demnach kann nach Weil behauptet werden, „sooft man leiden muss, kann man sagen, dass die Ordnung der Dinge, des Weltalls, des Universums, der Gott gegenüber stehende Gehorsam der Schöpfung ist in uns eingedrungen“. Das ganze Universum gehört Gott, und die Notwendigkeit der materiellen Vor­gänge des Universums zwingt uns, solche Ereignisse zu verkraften, denen wir nicht ausweichen können. 3. Die Würde des Leidens - Das Leiden als Vertiefung der Transzendenz Es ist nach Simone Weil sehr wichtig festzustellen, dass man sein Leiden mö­gen muss, nicht weil es nützlich ist, sondern weil es existiert. Über das Leiden darf nie im Rahmen der Zweckmäßigkeit gesprochen werden, es muss viel­mehr der Notwendigkeit zugeordnet werden.25 In ihrem Conessaince Surnatu- rell schreibt sie: „man muss mögen, was unerträglich ist. Man muss das Eisen zu sich andrücken, man muss in seinen Leib die Kälte und die Härte des Eisens aufnehmen“.26 Das Leiden hat aber positiven Wert nur in dem Maß, in dem man wirklich alles Mögliches getan hat, um es vorher beseitigen zu können. Wenn man im Interesse der Beseitigung des Leidens nichts tun kann, dann ist das Leiden zu verkraften, indem man erkennt, dass das Leiden ein privilegiertes Ereignis der menschlichen Seinssituation ist, weil es die Wahrheit des Seins aufschließt und zugleich Heilung ermöglicht. Das Christentum ist deswegen wichtig und einzigartig für die französische Philosophin, weil es nach keiner übersinnlichen Arznei gegen das Leiden sucht, sondern den übersinnlichen Nutzen des Leidens zu lehren versucht. 4. Das Leiden und die Transzendenz Jesus Christus, der Gottessohn, akzeptierte, dass er in seinem Leib leiden muss­te. Sogar an ihm merkt man, dass das Leiden, die Verbitterung und der Tod 24 „Die Notwendigkeit ist der vollkommen gehorsame, blinde und vernunftlose Sklave Gottes.” Vgl. Weil, S., Szerencsétlenség és istenszeretet, 678. 25 Bárdos. U. - Jeleníts, I., Jegyzetfüzet (Notizbuch), Budapest 2003.42. 26 Vető, M., Simone Weil, 92 (Weil, S., La Connaissance Surnaturelle 222).

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