Folia Theologica et Canonica 4. 26/18 (2015)

SACRA THEOLOGIA - Krisztián Vincze, Die Realität und die würde des Leidens in der Philosophie von Simone Weil

104 KRISZTIÁN VINCZE 1er, sie zu Wort kommen zu lassen“3. Thomas Stearns Eliot ist der Ansicht, ein Teil ihrer Gedanken könne akzeptiert werden, ein anderer Teil sei unbedingt abzulehnen, da sie als ambivalente Persönlichkeit der Kirche gegenüber eine ganz ambivalente Attitüde annahm: sie betete Jesus in der Eucharistie an, zug­leich verurteilte sie die Kirche in ihren Werken ungestüm.4 Nie sprach sie über die Gottesmutter Maria, als Jüdin verneinte sie nahezu das ganze Alte Testa­ment,5 währenddessen sie den tiefsten Wunsch hatte, ganz aus und für Christus bis zum Tod zu leben.6 Was ist es dann aber, was in ihren Werken trotz ihrer ambivalenten Verhal­tensweise eine sehr starke Attraktivität auf den christlichen Leser ausübt? Viel­leicht können wir alle darin übereinstimmen, dass ihre Werke deswegen so fes­selnd sind, weil in ihnen auf eine eigenartige Weise Metaphysik und Mystik miteinander verschmelzen. Julien Green meint, ihre mystischen Erlebnisse ges­chehen in so einer Höhe, in der wir „nur schwierig atmen können“7. Derjenige, der ihre Werke liest, hat den Eindruck, dass sie Antworten auf Fragen sucht, die wirklich die tiefsten im Menschen sind. Sie berührt alle wichtigen Themen, von denen das menschliche Wesen bewegt ist. Staunenswert ist die weilsche Sicht­weise, in der die menschlichen moralischen und religiösen Akte einen ontolo­gischen Anspruch erheben. Simone Weil untersucht die tiefsten Beweggründe der menschlichen Akte und die verborgenen metaphysischen Grundrisse des Menschen, was auch im Fall des Leidens zu sehen ist. Oft tritt sie weiterhin als eine Moralistin auf, deren psychologische Beobachtungen immer durch meta­physische und theologische Bezüge angereichert werden. Ihre intellektuelle Tiefe knüpfte immer an spirituelle Erlebnisse an, und aus dieser Verbundenheit entsprangen ihre ethische Erwartungen und ihre moralische Folgerungen. Des­wegen stehen ihre Schriften unter den populärsten philosophischen und religiö­sen Büchern, auf deren spirituelle Inhalte sich oft in gleichem Maß christliche Autoren. Philosophen und Theologen beziehen. 3 Marcel, G., Ajánlás (Geleitwort), in Weil, S., Ami személyes és ami szent. Válogatott írások (Aiisgewählte Schriften) (Hrsg. Reisinger, J.(, Budapest 1983. 357. 4 Eliot, T. S., Előszó a „ Begyökerezettséghez.” (Geleitwort zu der„Einwurzelung”), in Weil, S., Ami személyes és ami szent. 336—344, 339. 5 Vgl. Eliot,'T. S„ Előszó, 340. 6 Vgl. Mauriac, F., Naplójegyzetek, 1958.10.27. (Tagebuchnotizen), in Weil, S., Ami személyes és ami szent, 303-306, 303. 7 Hackenberg-Treutlein, G., Dem Unglück von Angesicht zu Angesicht begegnen, Mystisch- christliche Lebenshaltung bei Simone Weil, in Geist und Leben 74 (2001) 95-105, 97.

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