Folia Theologica et Canonica 3. 25/17 (2014)

SACRA THEOLOGIA - Imre Kocsis, Der Einfluss von Dan 7 auf die Johannes-Offenbarung

32 IMRE KOCSIS Erz; eine Stimme wie das Rauschen vieler Wasser (hier wird Dan 10,6 mit Ez 1,24 kombiniert). Diese Bezeichnungen beziehen sich ursprünglich auf einen Engel, wohl auf den Engel Gabriel. Der Verfasser der Offenbarung hat sich nicht davor zurückgeschreckt, einer Angelophanie-Szene entnommene Züge auf Christus anzuwenden. Aber das bedeutet nicht, dass er hier eigentlich eine Engelgestalt vorstellen wollte.9 Mit Recht bemerkt A. Vögtle: „Wer die Gabriel-Vision Daniels nachliest, wird freilich ebenso entdecken, dass die Vor­lage weit überboten wird, gerade auch durch Bildzüge, die in einer Engel­beschreibung undenkbar wären. Denn die Gestalt, die Johannes zeichnet, ist der erhöhte Christus als die personifizierte göttliche Machtherrlichkeit.”1“ Wir müssen uns noch mit der Position des Menschensohngleichen beschäfti­gen: er steht in der Mitte der sieben goldenen Leuchter (V. 12) - in seiner rech­ten Hand hat er sieben Sterne (V. 16a) - aus seinem Mund geht ein zweischnei­diges scharfes Schwert hervor. Die sieben Leuchter sind in V. 20 mit den sieben Gemeinden identifiziert, während die sieben Sterne als die Engel der sieben Gemeinden gedeutet werden. Demzufolge erscheint hier der Menschensohn­gleiche als der Herr der Gemeinden. Weil die Siebenzahl den Gedanken der Totalität in sich hält, kann die Schilderung auch so interpretiert werden: Chris­tus ist der Herr der ganzen Kirche. Er ist in ihr anwesend und erhöht sie in die Welt der Transzendenz.11 Der prophetischen Tradition (Jes 11,4; 49,1) gemäß ist „das zweischneidige scharfe Schwert” als ein symbolischer Ausdruck für das richterliche Wort zu deuten. Der Menschensohngleiche wird also als Richter vorgestellt. Er übt diese Funktion derzeit in der Kirche und gegenüber der Kirche aus, indem er die Gemeinden läutert und ihre häretischen Mitglieder zurück­weist (2,12.16). Das Motiv des scharfen Schwertes kommt auch in Off 19,15 vor, wo es Christus als den Vollzieher des Endgerichtes charakterisiert. 3. 14,14-16 Die Gestalt des Menschensohngleichen erscheint auch in Offb 14,14-16. Mit Dan 7,13 steht nur 14,14 in unmittelbarer Beziehung: „Und ich sah, und siehe, eine weiße Wolke und auf der Wolke saß einer gleich dem Menschensohn, der auf seinem Haupt einen goldenen Kranz und in seiner Hand eine scharfe Sichel hatte.” 9 So meint zum Beispiel Giesen, H., Die Offenbarung des Johannes, 88. 10 Vögtle, A., Das Buch mit sieben Siegeln, Freiburg - Basel - Wien 1981. 29. Vgl. Auch Söding, Th., Gott und das Lamm. Theozentrik und Christologie in der Johannesapokalypse, in Backhaus, K. (Hrsg.)., Studien zur Johannes-Offenbarung, Stuttgart 2001.77-120, 95 (Anmerkung 37).

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