Folia Theologica et Canonica 2. 24/16 (2013)
SACRA THEOLOGIA - Zoltán Rokay, Die „Religionsphilosophie” Johann-Gottlieb Fichtes. Ihre Hintergründe und ihre Aktualität
DIE „RELIGIONSPHILOSOPHIE” JOHANN-GOTTLIEB FICHTES 111 „Was die gemeine Menschen - Empfindung Sünde nennen, entsteht aus der notwendigen, größeren oder kleineren Einschränkung endlicher Wesen. Es hat notwendige Folgen auf den Zustand dieser Wesen, die ebenso notwendig als die Existenz der Gottheit, und also unvertilgbar sind.”55 Nach Fichte ist die Heiligenverehrung - eine neue Art von „Polytheismus”, eine Dekadenz der Menschheit und der Religion nach Jesu, ein inneres Bedürfnis der „nicht spekulierenden Menschen”: „In den heidnischen Religionen waren die Untergötter, besonders die Penaten, Laren, usw. recht persönliche Mittler zwischen den Menschen und höheren Göttern. Da nach Jesu die Menschheit wieder herabsank, entstand im Papsttume eine Menge Mittler in den Heiligen. Ein Beweis, wie mich dünkt, dass dieses Bedürfnis im Inneren der nicht spekulierenden Menschen gegründet ist.”56 Während Fichte dafür plädiert, die Grenzlinie möglicher Erkenntnis, sowohl der Erkenntnis, als auch des Geheimnisses der Erlösungstat nicht zu überschreiten, kommt er dazu, Paulus zu erwähnen, dessen Gestalt als Gegenstand Fichtes (dilettantischen Kritik) später wiederkehrt: „Selbst Paulus scheint mir in seinem Brief an die Römer mit seinen subtilen Untersuchungen über die Gnadenwahl diese Grenzlinie des Christentums überschritten zu haben.”57 Die Grenzlinie ist der Versöhnungstod Jesu Christi. Wenn man über diese Grenze hinausgeht, verwickelt man sich in Schwierigkeiten. III. Die Predigten Es sind uns zwei Predigten von Fichte in ihrer Ganzheit erhalten: eine vom 25. März 1786 (also noch vor dem „Kant-erlebnis”), gehalten in Dubrauke58 und eine am Frohnleichnamfest, den 23. Juni 1791 (also nach dem „Kant-erlebnis”) gehalten in der Evangelischen Kirche zu Warschau;59 publiziert durch den Sohn Fichtes. Keine von beiden enthält originelle Gedanken, beide bewegen sich im Rahmen der traditionellen evangelischen Theologie und beide sind im beleh55 Ebd. 290. 56 Ebd. 287. 57 Ebd. 288. Fichte hat auch in seiner „Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters” seine eigentümliche Paulusinterpretation zum Worte gebracht (Ausgabe von Meiner, F.), 1956. 105f. 58 Vgl. GA 11,1.49-66. 59 Ebd. 420-131.