Folia Theologica et Canonica 2. 24/16 (2013)
SACRA THEOLOGIA - Zoltán Rokay, Die „Religionsphilosophie” Johann-Gottlieb Fichtes. Ihre Hintergründe und ihre Aktualität
112 ZOLTÁN ROKAY renden Ton gehalten. Streng genommen deuten nicht auf die beschäftigung Fichtes mit dem System Kants hin, da die pädagogische Ausrichtung auch auf Lessing und Rousseau hindeuten kann. Die erste Predigt ist eher bezüglich der Datierung des Fragmentes „Über die Absichten des Todes Jesu” interessant, die zweite im Hinblick auf eine richtige Einschätzung des „Nationalismus” von Fichte.60 IV. „Über die Absichten des Todes Jesu” Die Datierung des vorliegenden Fragments ist unsicher. Es kann zwischen 1785 (die Unterbrechung des Studiums Fichtes) und 1792 (Erscheinen der ersten Schrift Fichtes: „Versuch einer Kritik aller Offenbarung”) an einen beliebigen Zeitpunkt untergebracht werden. Eine nähere Bestimmung der Entstehungszeit ermöglicht ein Vergleich mit der Predigt am 25. März 1786, und zwar im Punkt der Besserung des Herzens: Über die Absichten des Todes Jesu (1786?) „Die Religion Jesu sollte und mußte auf Hochachtung gegen den Stifter derselben gegründet sein, aber nicht auf irdische, sondern auf Hochachtung seines Geistes und Herzens. Auch erregte ein leidender Religionsstifter ihre Zärtlichkeit, und durch die zärtliche Neigung gewinnt Verstand Zutrauen zu Jesu, und Herz am meisten. Das Christentum ist eine Religion guter Seelen.” (II,1.S.76) „Auf welche Art müßte also das Christentum bewiesen werden? Nicht strenge demonstriert, und den Verstand gezwungen. Das wäre bloße Verstandreligion geworden, eine bloße Wissenschaft, sonAn Mariä Verkündigung (1786) „Gott zeichnet also einige Menschen durch seine Gnadenbemühungen an ihren Seelen aus - er arbeitet an ihren Herzen, da sie gebeßert werden müßen (11,1 S.55) „Laßt uns die gegenwärtige Stunde dazu anwenden - unsre Herzen mit alle den Empfindungen zu erfüllen, die die Betrachtung derselben uns an die Herzen gibt.” (S.56) „noch immer - viele eifern vor väterliche Religion vielleicht mit den wärmsten Herzen, aber mit Unverstand! Und auch an diesen Herzen sollte die Gnade Gottes arbeiten.” (S.57) 60 Vgl. den Passus in der Predigt zu Warschau: „Oder ob wir durch unsre Härte, durch die Rohheit unsrer Sitten, durch Ausgelassenheit den anders Denkenden, unter denen wir leben, Veranlassung geben, ein Vorurtheil gegen unser Glaubensbekentniss sowohl, als gegen die Nation, von der wir grösstentheils herstammen, und nach deren Namen wir uns nennen, zu fassen.” Fichte, I. H. (Hrsg.), Johann Gottlieb Fichte’s nachgelassene Werke, III. Bonn 1835. 218.