Folia Theologica et Canonica 2. 24/16 (2013)

SACRA THEOLOGIA - Attila Puskás, Traditionsauslegung am Konzil von Trient

94 ATTILA PUSKAS Evangelien und die liturgischen Traditionen auf dieselbe Ebene bringen?48 In der Diskussion forderten mehrere Sprecher eine Unterscheidung der apostoli­schen und kirchlichen Traditionen. Der Bischof von Worcester argumentierte, dass die Traditionen und die heiligen Bücher nicht dieselbe Autorität haben können, da die Kirche sich zu ihnen unterschiedlich verhält und Traditionen je nach Bedürfnis verändern und sogar abschaffen, dies unmöglich aber bezüglich der heiligen Bücher tun kann.49 Trotz der Kritik ist die Formel pari pietaiis affectu ac reverentia am Konzil beschlossen worden und blieb im endgültigen Text des Dekrets aufgenommen. Die Kompilatoren argumentierten, dass die nicht geschriebenen Traditionen ebenso wie die heiligen Bücher letztendlich göttlicher Abstammung sind, auch sie entstammen Christus selbst und sind von den Aposteln auf Diktat des Heiligen Geistes überliefert worden. Aus der Be­gründung geht klar hervor, dass es nicht um irgendwelche kirchlichen Tra­ditionen geht, nur um solche, die den Kriterien des vorigen Satzes im Dekret entsprechend apostolische Traditionen zu nennen sind. V. Anmerkungen zur Lehre des Dekrets Sacrosancta Man kann sagen, für das Konzilsdekret über die Annahme der heiligen Bücher und der apostolischen Traditionen ist eine Art Minimalismus charakteristisch. Das Konzil formuliert nur die minimale Aussage, dass es apostolische Traditionen in der Kirche gibt, die mit derselben religiösen Ehre aufzunehmen sind, wie die kanonischen Schriften. Das Tridentinum legt nur diese Lehre mit Bestimmtheit fest. Das Konzil beschäftigt sich nicht mit den folgenden Fragen: (1) Wer und mit was für einer Autorität Träger der apostolischen Traditionen sind; (2) welche diese Traditionen in der Kirche sind; (3) was für einen Wert die nicht apostolischen kirchlichen Traditionen haben, (4) wie sich die Heilige Schrift und die apostolischen Traditionen zueinander verhalten und (5) wie die Verhältnisstmktur der Heiligen Schrift, der Tradition und des Lehramtes zueinander zu beschreiben ist.50 Zur Beantwortung dieser Fragen bietet das Konzil höchstens einige Anhaltspunkte, keine explizite, ausführliche Lehre. Ohne den Zusammenhang Magisterium - Heilige Schrift - Tradition ausführ­lich zu behandeln, zeigt das Konzil dementsprechend doch mit der tatsäch­lichen Position, die es im Verhältnis zur Tradition und der Heiligen Schrift 48 Bischof Nacchianti nannte es schlechthin heidnisch, den Brauch des Betens in Richtung Osten mit derselben Frömmigkeit zu verehren, wie das Johannesevangelium. CTA V, 70. 49 CTA V, 41. Zitán: Sesboüé, B. - Theobald, Ch., Storia dei dogmi, IV: La parola della salvez­za XV1-XX secolo, 131. 50 Auch Johannes Beumer erwähnt einige noch nicht diskutierte Fragen der Aufzählung von oben. Beumer, J., Die mündliche Überlieferung als Glaubensquelle, 87-88.

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