Folia Theologica et Canonica 2. 24/16 (2013)
SACRA THEOLOGIA - Zoltán Rokay, Die „Religionsphilosophie” Johann-Gottlieb Fichtes. Ihre Hintergründe und ihre Aktualität
DIE „RELIGIONSPHILOSOPHIE” JOHANN-GOTTLIEB FICHTES 109 „Es ist merkwürdig, dass im ersten Jahrhunderte ungelehrte Apostel eben da ihre Untersuchungen abgeschnitten, wo der größte Denker des achtzehnten, des objektiven Wesens Gottes, bei den Untersuchungen über Freiheit, Imputation, Schuld und Strafe.”4'’ Die Faszination durch Kant ist unmissverständlich. Fichte will, wie er schon früher angekündigt hat, durch die Popularisierung des Kant’sehen Denkens „dem Menschen helfen”. Das besteht nach ihm darin „jene Spekulation über die Grenzen hinaus" abzuschneiden: „Wie soll man einen solchen Menschen behandeln? Im Felde der Spekulation scheint er unüberwindlich. Mit beweisen der Wahrheit der christlichen Religion ist ihm nicht beizukommen; denn diese gesteht er so sehr zu, als man die ihm nur beweisen kann: aber er beruft sich auf die Unmöglichkeit, sie auf sein Individuum anzuwenden. Die Vorteile, die ihm dadurch entgehen, kann er einsehen; er kann sie mit der heissesten Sehnsucht wünschen; aber es ist ihm unmöglich zu glauben. - Das einzige Rettungsmittel für ihn wäre, sich jene Spekulation über die Grenzlinien hinaus abzuschneiden. Aber kann er das, wann er will? Wenn ihm die Füglichkeit dieser Spekulationen noch so überzeugend bewiesen wird - kann er’s? Kann er es, wenn ihm diese Denkungsart schon natürlich, schon mit der ganzen Wendung seines Geistes verwebt ist?”49 50 An Stelle der Spekulation tritt - bei Fichte - die Empfindung, das Herz und die Wirkung auf die Moralität. Fichte spricht von einem „deistischen System”. (Wir sollen uns erinnern, dass sich Platner damals - 1777 - gegen den Verdacht des Deismus verteidigen musste): „Dieses rein deistische System widerspricht der christlichen Religion nicht, sondern lässt ihr ihre ganze subjektive Gültigkeit; es verfälscht sie nicht, denn es kommt mit ihr nirgends in Kollision; es hat keinen schädlichen, sondern bei dem, der es ganz übersieht, einen überaus nützlichen Einfluss auf Moralität; es verhindert nicht, sie als die beste Volksreligion zu verehren, und sie denen, die ihrer bedürfen, wenn man nur ein wenig Konsequenz und Empfindlichkeit hat, mit der innigsten Wärme zu empfehlen: aber es wirkt eine gewisse Unbiegsamkeit, und hindert für seine eigene Person an den angenehmen Empfindungen, die aus der Religion fliessen, Anteil zu nehmen.”51 49 Ebd. 295; vgl. Kant, I., Kritik der reinen Vernunft. Transzendentale Methodenlehre. Vom Ideal des höchsten Guts (Kant - Werke 4), Darmstadt 1968. 678. 50 GA II, 1.291. 51 Ebd.