Folia Theologica et Canonica 2. 24/16 (2013)

SACRA THEOLOGIA - Zoltán Rokay, Die „Religionsphilosophie” Johann-Gottlieb Fichtes. Ihre Hintergründe und ihre Aktualität

102 ZOLTÁN ROKAY Nicht weniger bestimmend war Johann Friedrich Wilhelm Jerusalem (1709- 1769), mit seinen „Betrachtungen über die vornehmsten Wahrheiten der Reli­gion” (1768), der vor allem wegen des tragischen Selbstmordes seines Sohnes bekannt wurde, das sich Goethe zum Thema seines „Werthers” gewählt hat.9 Auch Johann Joachim Spalding (1714-1804) verdient erwähnt zu werden, mit seiner „Religion, eine Angelegenheit des Menschen”, sowie wegen seiner Schrift: „Die Bestimmung des Menschen” welche die Verfassung des gleich­namigen Werkes von Fichte ohne Zweifel mitbestimmt hat.10 Fichtes Studienzeit fasst die Jahre 1780-84 um, mit den Stationen Jena - wo später Fichte selbst doziert hat, Leipzig und Wittenberg. Jena war mit den besten Kräften besetzt, da die Universität Hörer aus der ganzen Welt besucht hat (so z.B. aus den holländischen Kolonien, und es gab sogar einen aus Ghana). Hier unterrichtete Johann Gottfried Eichhorn (1775— 1781) dessen Name aus der Quellensforschung des Pentateuchs bekannt ist, der dann später nach Göttingen überwechselte, Emst Jakob Danovius (1741-1782) der unter tragischen Umständen gestorben ist. - Falls Fichte hier auch philoso­phische Collegia besucht hat, so dürfte ihm auch August Heinrich von Ulrich nicht unbekannt sein (1746-1813). Er, sowie die anderen Philosophen und von den Theologen die Systematiker haben sich um die Versöhnung des Determi­nismus und der Freiheitlehre im Sinne von Leibniz-Wolff bemüht. Damals ist schon die erste Ausgabe der Kritik der reinen Vernunft erschienen, was auch Gegenstand heftiger Polemik war, vor allem im Punkt der Gottesbeweise. - Hätte Fichte die Vorlesungen eifrig besucht, und wäre die Kritik der prakti­schen Vernunft schon damals erschienen, so hätte er nicht bis zum Jahre 1790 auf das „Kant-Erlebnis” warten müssen.11 Fichte hat seine Studien in Leipzig fortgesetzt. Von den hier Studierenden 1200 Hörem waren etwa 500 Theologen. Nachweislich hat Fichte hier Chris­tian Friedrich Petzold (1743-1788), den Prediger der Universitätskirche zu Leipzig gehört.12 Petzold hat neben der systematischen Theologie auch syste­matische Philosophie unterrichtet. Fichte hat die dogmatische Theologie von Petzold in Thesen zusammengefasst und in einer Niederschrift von 8 Blättern uns hinterlassen: „Theologia Dogmatica secundum Theses D. Petzoldi”.13 Das Wesentliche was wir dem Text entnehmen können sind die folgenden Stellen und Aussagen: Die Vernunft besitzt die Fähigkeit der Erkenntnis der Wahrheit; dies würde nicht einmal durch die Heilige Schrift abgestritten werden können; 9 Auf den „Jüngeren Jerusalem” und sein Werk: Lessing, G. E. (Hrsg.), Philosophische Aufsätze, Braunschweig 1776; beruft sich auch Fichte in seinem System der Sittenlehre von 1798. GA (Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie, 1962ff) I, 6. 126. 10 Vgl. Spaldings Bestimmung des Menschen (1748) und Wert der Andacht (1755) [mit Einleitung neu herausgegeben von Lie. Horst, St., Giessen 1908]. 11 Vgl. Kühn, M., Johann Gottlieh Fichte, 74ff. 12 Kühn, M., Johann Gottlieb Fichte, 73. 13 GA II, 1.38.

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