Folia Theologica et Canonica 2. 24/16 (2013)

SACRA THEOLOGIA - Zoltán Rokay, Die „Religionsphilosophie” Johann-Gottlieb Fichtes. Ihre Hintergründe und ihre Aktualität

DIE „RELIGIONSPHILOSOPHIE” JOHANN-GOTTLIEB FICHTES 101 geretzte Wirkung bei den jungen Seelen hervorrufen würde. Wir dürfen auch nicht vergessen: wir befinden uns in einem Zeitalter, in dem Rousseau schon seine Prinzipien der Erziehung proklamiert hat (sein Emil erschien 1762, also genau im Geburtsjahr Fichtes!). Es sind inzwischen auch von einigen führen­den Gestalten von Pforta kritische Gedanken laut geworden bezüglich der dort herrschenden religionspädagogischen Methoden.5 6 Was aber mindestens so bestimmend war für die Bildung der Zöglinge wie die geistlichen Übungen, war die Auswahl der Lektüre. Streng verboten war Lessings Anti-Goetze, angesichts der „sola scriptura”-Prinzips, nämlich die kritische Frage, was Offenbarung beinhalten kann und soll, die Frage des Verhältnisses der Offenbarung zur Vernunft, so wie sie damals schon Spinoza gestellt hat und für die ganze Aufklärungszeit bestimmend war.7 Zugelassen wurde Klopstock, dessen Nichte, Johanna Rahn Fichte später heiratete, Ernesti (eher wegen seiner rhetorischen Schriften), Albrecht von Haller, der Polyhistor, Wieland, der soviel Ungeist Fichte gegenüber gestiftet hat, und dessen Tochter Reinhold, Fichtes Vorgänger in Jena heiratete. Es waren aber auch die italiänischen Klassiker, Tasso und Ariosto, sowie Milton, von den Engländern, und was auffallend ist in einer so frommen Umgebung, Voltaire präsent, wie darüber die Abschiedsrede (Valedictionsrede) Fichtes zeugt. - Geliert galt als Vorbild, Gottsched wurde eher kritisiert. Die nächste Etappe in der „Entwicklung” Fichtes und des „religiösen Gedan­kens” bei ihm, ist seine Studienzeit. Es geht dabei um das Studium der Theo­logie, was aufgrund der Legende der Entdeckung seines Talentes, und der Absicht seines Gönners auch verständlich ist. Das Studium der Theologie be­deutete Vorbereitung auf das „Predigeramt” (bei den Katholiken: auf den „priesterlichen Dienst”, aber doch im Hinblick auf die Besetzung eines Pfar­ramtes). Ein Examen in der Theologie war Voraussetzung für den Konkurs um eine Pastorenstelle. Den Hintergrund der theologischen Studien bildeten namhaften protestanti­schen Autoren, deren Werke in der Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Richtungen (Aufklärung, kritische Bibelforschung, Rationalismus, Pietismus und protestantische Orthodoxie) entstanden. Zu nennen sind Johann Heinrich Emesti ( 1707-1781 ) der spätere Rektor der Thomasschule zu Leipzig, der seiner­zeit genauso wie Fichte, ein Schüler von Pforta war. Er hat vor allem auf dem Gebiete der Rhetorik wesentliches geleistet, und als solchen beruft sich auf ihn Fichte in seiner „Valedictions-Rede”. Er widmete sich später der Textkritik des Neuen Testaments und schließlich wurde Professor der Theologie in Leipzig.8 5 Das beweist auch Fichtes spätere kritische Haltung der Religion gegenüber. 6 Vgl. Kühn, M., Johann Gottlieb Fichte, 17f. 7 Vgl. Kühn, M., Johann Gottlieb Fichte, 38f; sowie Jacobs, W. G., Johann Gottlieb Fichte, 1984. 12. 8 Vgl. Bacin, St., Fichte in Schulpforta, Stuttgart 2007.

Next

/
Thumbnails
Contents