Folia Theologica et Canonica 1. 23/15 (2012)

IUS CANONICUM - Stephan Haering OSB, Das Verfahren zur Entlassung aus einem Ordensverband

DAS VERFAHREN ZUR ENTLASSUNG VON PROFESSMITGLIEDERN... 211 Personen über die Sache zu beraten und damit seiner Entscheidung ein festeres Fundament zu geben, bleibt dem Diözesanbischof freilich unbenommen. Schließlich wird die Entscheidung von der zuständigen hierarchischen Auto­rität geprüft und bestätigt. Man kann also von einem dreistufigen oder - wenn man die Ebene des höheren Ordensoberen nur als Ort der Beweiserhebung bet­rachten will - doch wenigstens von einem zweistufigen Verfahren sprechen. Darin liegen ein Element der Kontrolle der befassten Amtsträger und die Gewähr für sorgfältiges Vorgehen, wie es ähnlich auch im Gerichtswesen üblich ist. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass im Verfahren jederzeit die Möglich­keit besteht, sich an den höchsten Oberen zu wenden (c. 698 CIC). Entspre­chend ist es wohl auch möglich, jederzeit den Diözesanbischof anzugehen, wenn dieser im Fall der Klöster nach c. 615 CIC für die Entscheidung über die Ent­lassung zuständig sein sollte. Dennoch kann man die Frage aufwerfen, ob der Rechtsschutz genügend ge­währleistet ist, besonders angesichts der Tatsache, dass eine Entlassung eines definitiv gebundenen Mitglieds aus einem kanonischen Lebensverband für den Betroffenen subjektiv ähnlich schwer wiegen kann wie die Entlassung eines Klerikers aus dem Klerikerstand. In diesem Zusammenhang ist auch zu beden­ken, dass nicht viele Mitglieder von Ordensverbänden ausgeprägte kirchenrecht­liche Kenntnisse besitzen und die Bedeutung der verschiedenen Elemente eines Entlassungsverfahrens sich ihnen nicht leicht erschließen dürfte. Vor diesem Hintergrund sollte den betroffenen Mitgliedern auf jeden Fall die Möglichkeit eröffnet werden, sich im Rahmen des Verfahrens eines fachkundi­gen rechtlichen Beistands zu bedienen. Dieser Rechtsbeistand wäre bereits bei der Einleitung des Verfahrens beim höheren Oberen von diesem zuzulassen. Dem Beistand wäre volle Einsicht in die Akten des Verfahrens zu gewähren, die einem Beschuldigten selbst bei bestimmten Sachverhalten gegebenenfalls nicht eröffnet werden kann. Der Rechtsbeistand könnte auch einen Beitrag dazu leisten, dass die Frage der Zurechenbarkeit der Handlungen und eventuell zu berücksichtigende Strafminderungsgründe recht erwogen werden. Auf je­den Fall wäre ein solcher Beistand für das betroffene Mitglied eine Hilfe, sich gut und umfassend verteidigen und eventuell die am Ende verhängte Entlas­sung innerlich sogar leichter akzeptieren zu können. Im Interesse einer gepfleg­ten Rechtskultur und eines genügenden rechtlichen Schutzes ist es regelmäßig angezeigt, einen solchen Beistand zuzulassen. Der CIC schreibt ihn nicht vor, verbietet ihn aber auch nicht. Deshalb ist es auch ohne Änderung des geltenden Rechts problemlos möglich, darauf zurückzugreifen. Am Ende bleibt dem entlassenen Mitglied noch die Möglichkeit der Be­schwerde gegen das Entlassungsdekret. Dieses Dekret ist als Verwaltungsakt im Einzelfall zu qualifizieren und kann nach den entsprechenden gesetzlichen Regelungen angefochten werden. Außerdem besteht immer die Möglichkeit, durch gerichtliche Klage den Schutz der eigenen Rechte zu verfolgen.

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