Folia Theologica et Canonica 1. 23/15 (2012)

IUS CANONICUM - Stephan Haering OSB, Das Verfahren zur Entlassung aus einem Ordensverband

206 STEPHAN HAERING, OSB Gleichwohl kann man die Frage aufwerfen, ob die Kirche in solchen Fällen auf eine Bestrafung ganz verzichten soll. Denn die Integrität und das Ansehen der Kirche werden durch solche Verhaltensweisen von Ordensleuten kaum we­niger beeinträchtigt als bei Klerikern. Dem bleibt jedoch zweierlei entgegenzu­halten: Zum einen handelt es sich bei einem entsprechenden Fehlverhalten von Ordensleuten nicht um eine Verletzung der Heiligkeit des Weihesakramentes, sondern ..nur“ um die Beeinträchtigung des Standes des gottgeweihten Lebens; insoweit besteht doch ein erheblicher Unterschied zu Straftaten gegen die Heilig­keit der Sakramente. Zum anderen belangt die Kirche ihre laikalen Gläubigen regelmäßig auch dann nicht strafrechtlich, wenn diese sich einer Straftat gemäß c. 1397 CIC schuldig gemacht haben, sondern überlässt die Verfolgung der Missetat der weltlichen Autorität. Mit der Entlassung aus dem Ordensinstitut aber verliert das bisherige Mitglied seinen besonderen Stand in der Kirche und sollte infolgedessen auch strafrechtlich nicht strenger behandelt werden als an­dere Gläubige. In extremen Fällen könnte die zuständige Autorität immer noch, gegebenenfalls auch auf der Grundlage von c. 1399 CIC11, kirchliche Strafen gegen das fehlbare Ordensmitglied verhängen. Ein Entlassungsverfahren kann aber auch aus anderen Gründen als jenen, die in c. 695 CIC aufgeführt sind, eingeleitet werden. C. 696 CIC nennt die ständige Vernachlässigung der Verpflichtungen des geweihten Lebens; wiederholte Ver­letzungen der heiligen Bindungen; hartnäckigen Ungehorsam gegenüber recht­mäßigen Anordnungen der Oberen in einer schwerwiegenden Angelegenheit; schweres Ärgernis, das aus einem schuldhaften Verhalten des Mitglieds entstan­den ist; hartnäckiges Festhalten oder Verbreiten von Lehren, die vom kirchlichen Lehramt verurteilt sind; öffentliches Anhängen an Ideologien, die von Materia­lismus oder Atheismus infiziert sind; halbjährige unrechtmäßige Abwesenheit. Weitere vergleichbar schwere Gründe für eine Entlassung können eigenrechtlich festgelegt werden. Auf jeden Fall muss der Grund für die Entlassung schwer­wiegend sein, nach außen in Erscheinung tretend, zurechenbar und bewiesen.12 Das Recht des CCEO unterscheidet nicht zwischen obligatorischer und fakul­tativer Durchführung eines Entlassungsverfahrens und nennt keine konkreten Tatbestände, die ein solches Verfahren erfordern oder rechtfertigen. Im CCEO wird nur verlangt, dass die Gründe für eine Entlassung aus dem Ordensverband 11 Zur Problematik dieser strafrechtlichen Generalnorm siehe Rees, W., Bestrafung ohne Straf­gesetz. Die strafrechtliche Generalklausel des c. 1399 des Codex Iuris Canonici, in Aymans, W. - Geringer, K-Th. - Krämer, P. - Riedel-Spangenberger, I. (Hrsg.), Iuri canonico promo­vendo. Festschrift für Heribert Schmitz zum 65. Geburtstag, Regensburg 1994. 373-394. Eicholt, B., Geltung und Durchbrechungen des Grundsatzes „Nullum crimen nulla poena sine lege“ im kanonischen Recht, insbesondere in c. 1399 CIC/1983 (Adnotationes in ius canonicum 39), Frankfurt am Main 2006. 12 Zu der Frage, ob die Aufstellung der Entlassungsgründe in c. 696 § 1 CIC als eine exemplari­sche oder eine taxatíve zu verstehen ist, siehe Haering, S., Entlassung aus einem kanonischen Lebensverband (wie Anm. 1), 113.

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