Folia Theologica et Canonica 1. 23/15 (2012)

SACRA THEOLOGIA - Zoltán Rokay, Leo Scheffczyk und die Tübinger Schule

LEO SCHEFFCZYK UND DIE TÜBINGER SCHULE 11 1 sophischen Reflexion über die Geschichte ergibt, was dann auch die Hinwen­dung der zweiten Generation zur Hegels Geschichtsphilosophie verständlich macht. Zuerst ist aber auch für die zweite Generation der Tübinger Schule eine An­lehnung an Schelling charakteristisch. So formuliert Scheffczyk im Falle Stau­denmaiers olgendermassen: „insofern dessen Arbeiten nicht nur stark an der ,Einheit4 Möhlers orientiert sind, sondern die philosophische Affinität zum eigentlichen ,Philosophen der Romantik4, zu Schelling verraten. Von ihm er­hoffte Staudenmaier eine gültige theistische Konstruktion des Christentums, weil sein Begriff von der Wissenschaft als systematischer Totalität die Gewähr zu bieten schien, die christliche Wahrheit nach allen ihren Momenten zur Ent­faltung zu bringen. Die Vorstellung, die Staudenmaier in der Frühschrift vom Pragmatismus der Geistergaben (1828) von der menschlichen Individualität als vom Heiligen Geist durchdrungener Selbstheit und von der Einheit des mensch­lichen Willens mit dem göttlichen und mit dem Kosmos entwickelt, stimmt mit den Darlegungen Schellings in der .Philosophische Untersuchung über das Wesen der menschlichen Freiheit und die damit zusammenhängenden Gegen­ständen4 (1809) weitgehend überein. Noch in der .Philosophie des Christen­tums4 von 1840 spricht Staudenmaier von Schelling mit Hochachtung als dem .genialen Denker4, der ,an die größten, tiefsten und kräftigsten Geister erinne­re, die jemals gelebt haben. 4 4486 Kuhn nimmt schon eine weitgehend kritischere Position Schelling gegen­über ein, welche wir schon die Gelegenheit gehabt haben näher kennenzulemen. Diese Stellungnahme ergibt sich aus einer kontroverstheologischen Einstellung dem Protestantismus gegenüber, die sich schon in der „Symbolik“ Möhlers meldet, aber auch aus einer akzentuierten Zuwendung zur Kirche, zum Katho­lizismus. Schelling gegenüber wird eher Hegel mit seiner „Dialektik“ interes­sant. Allerdings hat Schelling auch die Denkweise von Kuhn mitbestimmt. Scheffczyk sagt das so: „Kuhns Grundproblematik entwickelte sich in Ausein­andersetzung mit zwei zeitnahen Extremen, zwischen denen er zu vermitteln suchte: dem philosophischen Skeptizismus Jacobis und dem aprioristischen Transzendentalismus Schellings und Hegels. Für Kuhn konnte der Zwiespalt zwischen .Gemüt4 und .Denken4 oder zwischen dem .Unmittelbaren4 und dem .Mittelbaren4 nicht Ausdruck der letzten Wahrheit sein. Diese musste vielmehr in der Vereinigung beider Richtungen gesucht werden, auch wenn die Einheit immer nur als unendliches Ziel erkennbar bliebe.“86 87 (Die unendliche „Approxi­mation“ stammt noch von Fichte - vgl. Die Bestimmung des Menschen, Die Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters usw.). 86 Ebd. XX. 87 Ebd. XXIV.

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