Folia Theologica et Canonica 1. 23/15 (2012)

SACRA THEOLOGIA - Zoltán Rokay, Leo Scheffczyk und die Tübinger Schule

110 ZOLTÁN ROKAY fahren hat80, sind die Beziehungen der einzelnen Vertreter der Tübinger Schule zu Schelling auf welche Scheffczyk aufmerksam macht. Dabei scheint es an­gebracht zu sein, was davon positiv nachweisbar ist, sowie die tatsächliche Verbreitung der „Offenbarungsphilosophie“ Schellings im Kreise seiner katho­lischen Hörer während seiner zweiten Tätigkeit in München.81 Schon bei J. S. Drey meldet sich der Wunsch, dem rationalistischen Historis­mus, unter dem Einfluss Sailers, ein organisches Bild der Geschichte und Of­fenbarung, eine dynamische Auffassung von Überlieferung gegenüberzustel­len. Das entdeckte Drey in einem „von Notwendigkeit und Freiheit (Schelling) gestifteten Zusammenhang“.82 - „Diese Wendung zur positiv-organischen Er­fassung von Geschichte, Christentum und Kirche ist nicht zu erklären ohne den tiefgehenden Einfluss der Gedankenwelt der Romantik auf den Begründer der Tübinger Schule und ihre ersten theologischen Vertreter. Von ihr ist das eigen­tümliche historische Bewusstsein übernommen und theologisch assimiliert worden. Der große Anreger und Vermittler war dabei Fr. W. J. Schelling (t 1854), der mit seinem Wort vom Christentum (als) seinem innersten Geist nach und im höchsten Sinne historisches1 Gebilde den Richtpunkt für das Den­ken und Arbeiten der ersten Generation der Tübinger Schule angab.“83 - Die für die Romantik charakteristischen Gedanken und Stilelemente - wie „das Mys­tische“, „die Lebensidee“, „der Organismus“ „finden sich bei J. S. v. Drey wie­der, und zwar in der von Schelling vorgeprägten Form.“84 „Von Schelling leitet sich bei Drey nicht nur der in der Transzendentalphilosophie beheimatete Be­griff der Geschichte als der Einheit von Notwendigkeit und Freiheit her, son­dern auch die Verpflichtung zu einer geistigen Konstruktion1 der Geschichte nach der an ihr anschaubaren Idee, wofür Schellings ästhetischer Idealismus die Quelle ist.“85 Es sei bemerkt, dass die Vertreter der Tübinger Schule in der Regel Kirchengeschichtler (und zwar „patristischer Prägung“) und Neutesta- mentler waren, woraus sich ihr Interesse für eine Begründung, oder einer philo­80 Das Verhältnis Schellings zur Romantik ist Gegenstand der Diskussion. Es sei auf das schon er­wähnte Werk hingewiesen: Haym, R., Die Romantische Schule, Berlin 1914. Dazu die Stimme eines „Zeitgenossen“, des Mainzer Domdekans, J. B. Heinrich in einer Studie über Clemens Brentano: „Schelling war immer Pantheist, und hat mit der Romantik nur gespielt. Der redliche und begeisterte Novalis hatte zwischen tief katholischen und pantheistischen Anschauungen geschwankt und war, ehe er zur Klarheit gelangte, in der Jugendblüte gestorben und, recht cha­rakteristisch, von Schleiermacher, dieser Mischung von spinozistischen Pantheismus und herrn- hutischen Pietismus, als ’heiliger Jüngling* in der Leichenrede verherrlicht worden.“ Zitiert nach: Johann Adam Möhler, Band I: Gesammelte Aktenstücke und Briefe (Hrsg. Lösch, S.), München 1928. 268. 81 Vgl. dazu das unter Anm. 97-99. Gesagte. 82 Scheffczyk, L. (Hrsg.), Theologie in Aufbruch und Widerstreit, XII. 83 Ebd. XIII. 84 Ebd. XIV. 85 Ebd.

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